Die Konsequenz

Ich wäre nicht ich, wenn ich nicht ab und an mal mit dem Feuer spielen würde. Wenn ich mich so beobachte, merke ich, dass ich immer, wenn mir langweilig ist, irgendwelche komischen Aktionen in meinem Kopf ausbrüte. Doch diesmal habe ich mich eindeutig etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt und hätte mir doch beinahe ordentlich die Finger verbrannt.
Alles fing mit einer harmlosen Fantasie an, die ich hier in einem erotischen Post festgehalten habe. Das ist an sich ja nichts Besonderes für mich. Allerdings existiert die Person, um die es dabei ging, tatsächlich und ich kannte denjenigen vorher nur vom Sehen. Ich konnte also nicht wissen, ob er vielleicht wirklich meiner Fantasie gerecht wird. Das heizte meine Neugier natürlich an. Durch Zufall kam ich an seine Nummer und überlegte, was ich nun tun sollte. Direkt mit der Tür ins Haus fallen, ihm gleich den Blogbeitrag posten? Ich entschied mich dagegen, das war zu heiß. Ich überlegte mir einen kessen Spruch, mit dem ich das Gespräch eröffnete und er stieg tatsächlich direkt darauf ein. Zunächst schrieben wir belangloses. Ich flirtete, aber mit Bedacht, ich machte keine Avancen oder ähnliches. Mir hätte klar sein müssen, dass man mich über Facebook und google recht leicht finden kann und meinen Blog natürlich auch. Als ich plötzlich eine Facebook-Freundschaftsanfrage hatte, war mir klar, er musste es gelesen haben. Als dann ein Like auf dem Beitrag war, war es eindeutig.

Er ging total ab, erzählte mir auch direkt, er habe auf den Beitrag mehrfach gewichst. Gut, das fand ich erstmal nicht schlimm.
Zudem finde er mich ja schon lange extrem heiß und hätte nie gedacht, dass ich auch so empfinde. Tat ich das? Ich kannte ich ihn ja gar nicht. Es gab nur diese Fantasie. Und das, was sich mir hier in der Realität präsentierte, gefiel mir immer weniger. Ich fing an, es zu bereuen. Er ging direkt in die Vollen. Was sollte ich denn davon halten? Ansonsten erfuhr ich, er lebte noch bei seiner Ex, von der er sich kürzlich getrennt hatte. Er wollte dann auch direkt abends vorbeikommen, hier musste ich zum ersten Mal mehr als deutlich werden: „Ich stehe wirklich darauf, wenn Menschen ein NEIN akzeptieren können, das ist unglaublich sexy.“

Alles, was er sonst so von sich gab, war mir irgendwie zu platt, zu uninteressant, es reizte mich einfach kein bisschen. Er hatte mir tatsächlich meine eigene Fantasie zunichtegemacht. Ich schämte mich fast ein bisschen für diesen Beitrag. Vor allem aber deshalb, weil ich in ihm offensichtlich Hoffnungen geweckt hatte, die ich im Traum nicht mehr wahr machen wollte. Als er dann anfing, mich „seine Sonne“ zu nennen, wurde mir echt schlecht. Das ist ja nun absolut nicht mein Ding. Mal davon abgesehen, wie kam er bitte darauf? Total strange…. Ich ging darauf gar nicht ein.

Gegen Ende der Woche kündigte er an, dass er im Sinne seiner Berufsausübung heute bei mir vorbeikommen würde. Ich wunderte mich, weil ich damit nicht gerechnet hatte. Zudem schrieb er, er wäre am Abend zuvor noch mit seinem Auto liegen geblieben und hätte bis 22.00 Uhr vor meiner Tür gestanden, ob ich es nicht gemerkt hätte. Ich war verwirrt. Dann meinte er, es wäre nur ein Spaß gewesen. Später sah ich seine Statusmeldung, aus der deutlich hervorging, dass er am Vorabend tatsächlich vor meiner Tür gestanden hatte. Zum Glück hatte ich das Haus zur anderen Seite verlassen an dem Tag. Mir wurde mulmig. Ich merkte wie gleichzeitig Angst und Wut in mir hochstiegen. Das war gruselig. Ich wurde richtig panisch, da gingen bei mir direkt alle Alarmglocken an und ich bereute zutiefst, dass ich das angestoßen hatte.
Als er da war, war ich immer noch stinksauer und wollte ihm direkt meine Meinung sagen. Er stand da ganz freundlich und schüchtern mit einem länglichen Paket. „Wie geht es dir, Elli?“ Das konnte ich jetzt wirklich nicht. Ich riss ihm das Paket aus der Hand und flüchtete in meine Wohnung. Als ich ahnte, was in dem Paket war, wurde mir noch schlechter. Mein Herz pochte. Es war eine Sendung von Fleurop mit einer einzelnen roten Rose, sowie einer anonymen Karte mit einem anzüglichen Spruch. Das war der Moment, wo bei mir alle Sicherungen durchbrannten. Ich muss nicht extra sagen, was ich dachte. Das ging eindeutig zu weit. Ich zog mir etwas über und rannte mit der Rose in der Hand zu seinem Auto, welches immer noch gegenüber meines Hauses parkte. Dort wartete ich auf ihn und machte ihm eine Szene vom feinsten. Ich hatte nichts verlangt und er sollte mich einfach in Ruhe lassen. Er stand nur da und wiederholte immer wieder, er wäre das nicht gewesen. Ich war sprachlos. Was dachte er, wie blöd ich bin? Ich zerfetzte die Rose vor seinem Auto und rauschte kopfschüttelnd ab. Danach schrieb ich ihm noch einmal in aller Deutlichkeit, dass der Blog und die Realität nichts miteinander zu tun hätten und er, wenn er nicht nur zum Wichsen auf meinem Blog gewesen wäre, wüsste er, dass ich Rosen und Valentinstag nicht leiden kann. Daraufhin stritt er nur wieder alles ab und er finde es total unfair…. das war mir egal.

An dem Abend war ich total fertig. Ich hatte immer noch Panik, weil ich Angst hatte, was als Nächstes passieren würde. Und ich war erschöpft von der Angst und der Panik. Hier wurden so viele wunde Punkte getriggert. Und das Schlimmste war, ich gab mir selbst die Schuld an allem. Vor allem deshalb, weil ich das Ganze natürlich kontrovers mit meinem Freunden diskutierte. Und ja natürlich war ich nicht unschuldig. Dennoch wollte ich mich nicht rechtfertigen müssen. Im Grunde hatte ich nichts getan.
Andererseits war ich ja auch irgendwie mutig gewesen. Ich meine, es hätte ja auch eine Superstory werden können. Es konnte ja keiner ahnen, dass sich der Typ als riesiger Idiot entpuppt. Das nagte furchtbar an mir. Meine Freundinnen sahen das alles natürlich nochmal anders als meine männlichen Freunde. Aber man kann auch einem Vergewaltigungsopfer nicht sagen: „Selbst schuld, immerhin war dein Rock ja so kurz!“ Das ist im Grunde nichts anderes. Der Typ hat es nicht verstanden, konnte nicht differenzieren. Und ich habe mal wieder nicht daran gedacht, dass sowas eben auch gefährlich sein kann, wenn die Typen mich nicht kennen und nicht verstehen, wie ich lebe und wieso es diesen Blog gibt. Ich brauchte echt lange, mich wieder einzukriegen und mich nicht mehr so eklig und schuldig zu fühlen.

Zu allem Überfluss erfuhr ich am nächsten Morgen, dass die Rose wirklich nicht von ihm gekommen war. Sondern von einem meiner festen Lover. Ach herrje, mein Gefühlschaos wurde immer schlimmer. Jetzt hatte ich auch noch ein schlechtes Gewissen, weil ich meinem Freund die Valentinsüberraschung verdorben hatte. Aber wer schickt denn bitte anonyme Botschaften in der heutigen Zeit? Ich wäre da nie darauf gekommen und hätte es vermutlich so oder so weired gefunden. Wie gesagt, ich bin auch nicht der Typ für sowas. Trotzdem war es an sich ja eine ziemlich süße Idee, das muss ich zugeben. Auf der anderen Seite war mir mein Ausraster nun doch reichlich unangenehm. Aber je länger ich darüber nachdachte, fand ich es weniger schlimm. Immerhin dachte der Typ jetzt sicher, dass ich eine ziemlich gestörte Alte bin und würde mich in Ruhe lassen. Und ich habe recht gehabt. Seitdem gab es keine privaten Nachrichten mehr und wenn wir uns sehen ist alles wie zuvor, nur stark unterkühlt. Aber damit kann ich gut leben. Die Konsequenz hätte schlimmer sein können. Aber vermutlich hat er auch gecheckt, dass ich am längeren Hebel sitze. Ein Wort zu seinem Arbeitgeber und das Thema hätte sich von selbst erledigt.
Im Grunde war ich sogar ein bisschen stolz auf mich. Ich habe nicht still gehalten, sondern reagiert. Ich habe meine Meinung gesagt und bin für meine Interessen eingetreten, auch wenn es irgendwie etwas irregeleitet war. Der Teil der Erfahrung war großartig für mich.

Und das ist, was ich als Konsequenz für mich daraus mitnehme: Ich werde nicht aufhören, schlüpfrige und sexy Beiträge auf meinem Blog zu posten. Aber ich werde sicher etwas besser aufpassen, um wen es dabei geht, wer das lesen könnte und ggf. die Personen noch etwas anonymer zu behandeln. Sicherlich werde ich nicht aufhören, mit dem Feuer zu spielen. Aber ich werde beim nächsten Mal Handschuhe tragen, um mir nicht wieder die Finger anzusengen. Diese Panik möchte ich nicht wieder spüren. Und diesmal habe ich Glück gehabt. Es hätte sich definitiv schlimmer entwickeln können und das ist etwas, was ich wirklich nicht gebrauchen kann. Manchmal frage ich mich schon, wieso ausgerechnet ich mit meiner Vorgeschichte immer wieder in solche Situationen gerate? Oder nehme ich sie nur besonders wahr?
Wie dem auch sei: je öfter ich diese Geschichte mittlerweile erzähle, desto mehr muss ich darüber lachen.

2 Gedanken zu “Die Konsequenz

  1. Na, irgendwie ist’s ja nochmal gut gegangen und Du scheinst Dich inzwischen davon „erholt“ zu haben. 😉 Also vergiß nicht die Asbesthandschuhe oder den Feuerlöscher beim nächsten Mal 🙂

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