Hier existieren bereits einige Beiträge von feuchtfröhlichen Probenwochenenden mit durchgefeierten Nächten, unfassbar schlimmen Katern und Ausschweifungen, zu denen dann immer gesagt wird: „Was im Probenwochenende passiert, bleibt im Probenwochenende.“ Und davon war ich natürlich auch immer ein Teil. Ich habe viel getrunken – eigentlich war das stets mein Highlight – und ich habe gefeiert und ich habe vielleicht hin und wieder ein paar Dinge gemacht, die einerseits die Gerüchteküche zum Brodeln brachten und die ich ab und zu auch mal bereut habe… aber letzteres nur ein bisschen und auch gar nicht wegen der Sache an sich, sondern viel mehr, weil ich eben immer sooo betrunken war.
Zum letzten Probenwochenende im Herbst gab es dann erstmals keinen Beitrag. Wieso? Weil ich da bereits über zwei Monate trocken war, mich mit meiner neuen nüchternen Elli aber irgendwie noch gar nicht identifizieren konnte. Tatsächlich habe ich versucht, zu verbergen, dass ich nicht trinke und irgendwie wollte ich zugleich auch so feiern, als würde ich trinken. Um mir das selbst zu beweisen. Dass ich dabei nicht so viel Spaß hatte, liegt irgendwie auf der Hand. Es ist eben ein Unterschied, ob man kein Interesse daran hat, Alkohol zu trinken, oder ob man nicht trinken kann, so wie ich. Und im Probenwochenende trinken von meinen Buddies eben alle. Und irgendwann kommt dann der Punkt, an dem ich mich sehr, sehr einsam fühle.
Mittlerweile wissen alle, dass ich nicht mehr trinke. Also spätestens nach diesem Wochenende sollte es auch in der letzten Ecke angekommen sein. Ich mache auch aus den Gründen kein Geheimnis und meistens bekomme ich viel Anerkennung dafür. Darum gehts mir zwar nicht, ist aber trotzdem nett. Dennoch spüre ich bei den Menschen, die das Thema ansprechen, dann oft eine gewisse Beklemmtheit, wenn ich ganz offen sage, dass ich ein Trinkproblem habe. Über deren Gründe kann ich nur spekulieren. Ist aber auch nicht mein Bier… haha 😉
Ich bin diesmal zumindest mit dem Vorsatz hingefahren, es 1. nicht zu verstecken, dass ich nicht trinke und 2. einfach auch nicht so zu tun, als würde es mich nicht jucken, dass alle anderen saufen. Ich bin jeden Abend als eine der ersten ins Bett gegangen, weil es schnell wieder kam, das Kribbeln, wenn überall Alkohol rumsteht, die Leute lauter und teilweise peinlich werden und man selbst das Gefühl bekommt, als gehöre man nicht dazu. Ich meine, das Gefühl habe ich in meinem Leben ohnehin so oft, falsch zu sein. Und in solchen Momenten wird es dann eben richtig schlimm.
Und ich verurteile die Menschen nicht persönlich und auch nicht deren Tun. Was geht mich das „Leid“ anderer an. Ich merke aber, dass es mich immer wieder trifft, weil es sich mir aufdrängt wie ein Spiegel. Ich sehe mich, wie ich früher war. Und ich kann die betrunkene Elli wirklich nicht mehr so gut leiden. Und zugleich ist es eben nicht nur mein Problem. Das ist was Gesellschaftliches. Das ist mir natürlich klar. Aber das ist hier gerade nicht das Thema.
An den Morgenden habe ich mich dann gefreut, fit und munter und gut gelaunt zu sein. Ich war sogar vor dem Frühstück eine Runde laufen und darauf war ich echt stolz.
Und dennoch bin ich nicht fein damit, ich bin da nicht cool und mir gehts damit auch nicht gut. Aber das ist okay. Jedes Mal, wenn ich mich vor allen anderen ins Bett legte, war ich zwar erleichtert, weil mein Saufdruck-Kribbeln weg war, aber ich war auch traurig und ich hatte Fomo und ich sehnte mich zu scheinbar unbeschwerten Zeiten zurück.
Zugleich weiß ich aber, dass es das nicht wert gewesen wäre. Ich freue mich, dass ich mir nicht meinen Schlafrhythmus komplett zerschossen habe, tagelang brauche, um mich wieder normal zu fühlen, depressiv zu sein und vor allem, mich immer wieder zu fragen, was denn noch so alles passiert sein mochte in der letzten Nacht.
Es ist, wie es ist. Und vermutlich wird es mit der Zeit noch besser werden, aber vermutlich wird sich ein Teil von mir immer so fühlen. Irgendwie falsch, irgendwie fremd und irgendwie einsam. Und manchmal werde ich dann wütend. Auf die anderen, die saufen so wichtig finden, die sich daran aufgeilen, zu hören, wer wieder mal was mit wem hatte. Aber eigentlich bin ich viel wütender auf mich selbst. Was ich von anderen sehe, ist ein kleiner Ausschnitt aus deren Leben. Vermutlich trinken die meisten sonst nicht so viel oder auch gar nicht. Ich habe immer getrunken und ich habe mich gefreut, wenn ich mir einreden konnte, dass die Realität der anderen ebenso aussieht. Fact 1: Andere schaffen es, mal über die Stränge zu schlagen und danach wieder tage- und wochenlang die Finger vom Gift zu lassen. Fact 2: Jetzt fühle ich mich nackt. Weil mein Outing natürlich bedeutet, dass ich zugebe, dass ich damals nicht cooler war als heute. Ich war eigentlich keine Spaßtrinkerin.
Schon komisch, denn jetzt geht es in diesem Beitrag auch wieder nur ums Trinken. Nur anders eben. Ich glaube, das Wochenende hat mich wieder hart in der Realität ankommen lassen. In meiner Realität, in der ich abhängig bin und mich noch immer in der Recovery befinde. In den letzten Wochen war es eben easy, da wurde ich nicht so hart konfrontiert. Und jetzt bemerke ich, dass der Sommer vor der Tür steht und dass es plötzlich vieles gibt, was mir Angst macht.
Nicht zu trinken, macht mich sicherlich nicht zu einer weniger coolen Person. Aber ich denke, ich muss mir zuliebe ein bisschen aufpassen, dass ich mir nicht selbst auch die ganze Zeit vormache, dass alles easy ist.
Ich glaube, was andere sehen, ist eine ziemlich fitte, etwas ruhigere Elli. Find ich super. Aber, das Bild zu erzeugen, was andere sehen oder sehen wollen, kostet mich sehr viel Kraft. Dabei ist das absolut nicht notwendig.
Ich will trotzdem nicht versäumen, für mich die positiven Aspekte zusammenzutragen. Ich habe keinen Beschaffungsdruck. Es war immer schwierig, abzuschätzen, ob ich genug Alkohol für das Wochenende hatte. Und später ja nicht nur Alkohol… Dass ich morgens allgemein fitter bin, hatte ich schon erwähnt. Ich glaube aber auch, dass die Probenarbeit wesentlich effektiver ist… Lerneffekt und so.
Und die Zeit nach dem Probenwochenende ist eben auch nicht zu unterschätzen. Ich habe ungelogen jedes Mal Tage gebraucht, um wieder klarzukommen.
Am Ende läuft es alles wieder auf eins hinaus: Radikale Akzeptanz. Und irgendwie tue ich mich damit gerade wieder schwer.
Auch wenn du den Spruch wohl schon öfters gehört oder gelesen hast – Du kannst stolz auf dich sein und ich bewundere dich dafür, dass du das durchgehalten hast. 👍
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DANKE ❤
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Du mußt Dich damit ganz und gar nicht schwer tun, liebe Elli.
Die Wut auf die Anderen, die es so geil finden, sich zuzuschütten… nimm das als Motivation, so nicht mehr sein zu wollen. Es soll Dir helfen, es als selbstverständlich anzusehen, dass Du nicht mehr trinkst. Ganz liebe Grüße und viel Energie, Deinen Weg weiter zu gehen!
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Danke. Genau das ist das Ziel. Nicht mehr darunter zu leiden, dass ich nicht mehr trinken kann. Sondern, mich zu freuen, dass ich nicht mehr trinken muss.
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