Gefühl und Depression #relationship

Es gibt einen neuen Herzensmenschen in meinem Leben. Wer hier schon länger mitliest, neigt vielleicht jetzt dazu, ein bisschen mit den Augen zu rollen. (Vermeintliche) Herzensmenschen gab es hier in den letzten fünf Jahren so einige. Rosarote Euphorie ließ mich aufblühen, erstrahlen und alles Negative vergessen. Jedes Mal, wenn ich mal wieder happy in love war, dachte ich, ich sei gerettet, endlich hat all das Leiden ein Ende. Und das Ende kam dann meist auch recht schnell. Leider war es nur das erneute Ende einer kurzen Verknalltheit. Es endete mit Knall und das Leiden wurde nur noch schlimmer. Mit jeder Trennung trennte ich mich von einem Stück meines Herzens und auch der Glaube an die Liebe, das Vertrauen in meine Instinkte und die Motivation weiterzumachen wurde mit jedem Mal kleiner. Klingt pathetisch, ist aber so.
Und so ist es auch irgendwie nicht verwunderlich, dass sich Menschen zwar für mich freuen, meine engsten Freunde aber skeptisch am Rand stehen und erstmal abwarten, was das jetzt wieder werden soll. Und irgendwie bin ich hin- und hergerissen. Weil ich möchte, dass man mir vertraut und vor allem zutraut, dass ich imstande bin, eine glückliche Beziehung zu führen, ohne Allüren und vor allem, ohne ständiges On und Off und Dramen und das ganze Theater. Aber ich verstehe auch die Skepsis, denn manchmal traue ich mir ja selbst nicht über den Weg.

Tatsächlich wollte ich nie in meinem Leben bewusst in einer Beziehung sein. Also ich habe nicht danach gesucht. Ich fand es allein auch immer ganz okay. Das war lange bevor ich wusste, dass ich ernsthaft Probleme mit Bindung habe. Irgendwie hab ichs dann doch ein paar Mal gemacht, weil ich mich da irgendwie gesellschaftlich unter Druck gesetzt gefühlt habe. Die wenigen ernsthaften, längeren Beziehungen waren dann gefühlt auch gleich immer ziemlich extrem. Man denke an meinen Ex-Mann, bei dem von Lovebombing, über Manipulation, Fremdgehen bis hin zu körperlicher und psychischer Gewalt alles dabei war. Die nächstlängere Beziehung war die mit MK. Wenn diese auf den ersten Blick liebevoller und toleranter erschien, war auch die eher toxisch. Was beide gemein hatten: Sie suggerierten mir immer wieder, dass eine Beziehung mit eigentlich schwierig bis unmöglich war, weil ich so viele Probleme und ungeheilte Wunden mit mir herumschleppe. Die Gründe der beiden für diese Aussage mögen unterschiedlich gewesen sein. Aber das tut im Grunde wirklich nichts zur Sache.

Und obwohl ich merke, dass diesmal einiges anders läuft, bringt mich diese Aussage, gepaart mit dem fehlenden Urvertrauen, welches irgendwo in meiner Kindheit verloren gegangen ist, immer wieder ins Wanken. Seit ich nüchtern bin, falle ich alle zwei bis drei Monate in eine Depression. Das ist vermutlich gar nicht neu, nur habe ich es trinkend nicht bzw. anders wahrgenommen. Verkatert war ich ja immer irgendwie ein bisschen depressiv, oder konnte es zumindest darauf schieben. Und Stress und negative Gefühle habe ich meistens ertränkt und weggefeiert. Eigentlich bin ich es gewohnt, dass Beziehungen irgendwie erstmal alles besser machen, weil man so verknallt ist ins Verknalltsein und alles rosig und bunt und weich ist. Umso verwirrter war ich, als ich diesmal trotz Verknalltheit Ende Januar wieder in eine depressive Phase stürzte und plötzlich all diese Gefühle parallel existierten. Wisst ihr, wie anstrengend es ist, wenn man gleichzeitig verliebt und depressiv ist? Kein Witz! Ich weiß auch gar nicht, was ich lieber wollte. Nur depressiv sein, oder nur verknallt sein? Dummerweise war die Mischung nicht richtig ausgewogen. Das heißt, die negativen Gefühle waren irgendwie stärker. Aber vielleicht ist es auch nur meine Wahrnehmung oder weil alles eben so neu ist. Und da wir da noch ganz am Anfang der Beziehung waren, (also so mega fresh frisch) fragte ich mich dann schon hin und wieder, was und ob ich denn überhaupt etwas fühlte. Oder viel mehr: was ich denn überhaupt fühlen sollte. Das war echt scheiße gruselig. Da waren Schmetterlinge, definitiv. Und die sind da auch noch. Ich glaube, ich war anfangs verunsichert, weil es irgendwie realer ist, bodenständig und ohne Pauken und Trompeten, Feuerwerk und Regenbogen. Nur ein bisschen Glitzer, ganz leise. Und irgendwas in mir wartet darauf, dass ich mich anders fühle, weil wir in einer Beziehung sind. Weil ich irgendwann eben immer dieses „Beziehungsgefühl“ hatte. Daher war mir auch wichtig, dass ganz eindeutig zu benennen. Aber ich fühle mich nicht anders. Ich fühle mich immer noch wie ich. Ich glaube, das ist etwas Gutes.

Etwas Wichtiges, was ich endlich gelernt habe: Gefühle gehen vorbei. (Verknalltheit übrigens auch, also generell) Und so ging auch diese depressive Phase wieder vorbei. Und Anfang März erreichte ich endlich wieder ein Hoch. Es war fantastisch. Mein Selbstwertgefühl überschlug sich förmlich. Ich war fit und motiviert, ich war verliebt, im Job lief es super. Ich konnte mein Glück kaum fassen.
Das hielt an bis zur nächsten PMS, (Phase vor dem Einsetzen der Menstruation) wo ich dann wieder in einen echt tiefen Graben stürzte und zugleich auch wieder ganz schön viel von Außen auf mich einprasselte, was mich aufwühlte. Und mit jedem schlechten Gefühl und jeder Erinnerung an noch nicht geheilte Traumata geht bei mir wieder der Film an. Ich wäre für eine Beziehung nicht genug, aber zugleich bin ich doch auch viel zu viel. Und ganz automatisch dissoziiere ich von meinen Gefühlen. Heißt, mein Gefühlsleben schaltet automatisch und aus Selbstschutz auf 0. Nichts fühlen, heißt, keine Trauer, Wut und Angst fühlen, dummerweise, fühle ich Liebe, Bindung und Zuneigung dann auch nicht mehr. Dann weiß ich nur noch im Kopf um meine Gefühle, aber ich kann sie einfach nicht mehr wahrnehmen und spüren. Das ist nicht neu. Bei MK hatte ich das auch. Es kostet dann unglaublich viel Kraft, nicht dem Drang zu erliegen, einfach alles hinzuschmeißen, zurückkehren, zu alten Mustern, lieber allein sein zu wollen, da ich mich da am sichersten fühle. Wenn ich nichts fühle, dann kann ich auch nicht enttäuscht werden. Heißt, wenn er mich verlassen sollte, weil er feststellt, dass ich doch nicht so toll bin, wie gedacht, oder eben viel zu anstrengend, dann tut es mir nicht so weh am Ende.

Ich habe lange gedacht, ich bilde mir das ein. Tatsächlich ist das wirklich nicht ungewöhnlich. Und ich will ganz ehrlich sein. Dieses Durchhalten und Warten, dass ich das Gefühl wieder spüre und mir derweil immer wieder sagen müssen, dass es da ist, das ist so unglaublich anstrengend. Und oft habe ich mich selbst zu mir sagen hören, dass es so viel leichter und entspannter wäre, wenn ich einfach wieder allein wäre. Dann müsste ich mich mit dem Kram nämlich viel weniger auseinandersetzen. Außerdem könnte ich auch nicht verletzt werden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich das nicht überleben würde. Nicht nochmal.

Und wenn ich das hier gerade in einer depressiven Phase schreiben würde, dann wäre hier an der Stelle Schluss. Also in jeglicher Hinsicht. Und dann würde ich euch verschweigen, dass es in meinem Kopf durchaus eine Happy-End-Variante der Geschichte gibt. Denn entgegen aller Skepsis und aller Horrorszenarien, die mein Kopf hinsichtlich der neuen Beziehung so zeichnet, ist noch nie irgendetwas davon eingetreten. Ich arbeite hart daran, mich immer wieder selbst davon zu überzeugen, dass Offenheit, der beste Weg ist. Und er bestärkt mich darin zu 100%. Bisher wurde ich nicht enttäuscht. Vor allem, weil er die Dinge, die ich brauche, ausspricht, bevor ich danach frage. Weil eine meine größten Ängste, dass Beziehungen nur aus Kompromissen bestehen, bisher nicht eingetreten ist. Weil er mir deutlich gesagt hat, dass es 1000 Mal sexier ist, wenn ich zu meinen Bedürfnissen stehe, als sie zu unterdrücken. Weil er so verständnisvoll ist und ich zum ersten Mal erlebe, wie sich bedingungslose Zuneigung anfühlt. Schon wieder pathetisch, traurig aber wahr. Denn wir suchen uns doch allzu oft die Dinge aus, die wir kennen. Und so neigen traumatisierte Menschen auch dazu, sich in toxische Beziehungen zu stürzen. Dass es auch anders geht, müssen wir dann erstmal lernen.

Fakt ist, ich hänge nicht einfach so in der Vergangenheit ab. Ich habe ein paar Baustellen, an denen ich gerade aktiv arbeite. Nüchternheit ist eine davon. Aber es gibt noch ein zwei andere Hürden, die ich dieses Jahr nehmen will und werde und es kann durchaus sein, dass hier nochmal tief in alten Wunden gebohrt wird, bis es dann endlich besser wird. Das habe ich ihm so gesagt. Nach dem Motto: Du weißt, worauf du dich einlässt?! Seine Reaktion hat mich beinahe zu Tränen gerührt. Zum einen sagte er, dass er nicht vorhabe irgendwo anders hinzugehen, zum anderen sehe er es alles andere als negativ, wenn ich „mal wieder ein Problem habe“. Ich sei auch nicht die Summe meiner Probleme. Vielmehr bewundere er die Art und Weise, wie ich meine Probleme angehe und mit welcher Stärke ich versuche, sie zu lösen. Und das ist nicht nur so dahingesagt. Er hat ja recht. Und eigentlich sollte ich mir das selbst viel öfter sagen. Ich habe mir meine Probleme nicht ausgesucht. Aber ich habe jetzt die Wahl, wie ich mit ihnen umgehe. Und mittlerweile habe ich auch die ganzen richtigen Tools. Aber so eine gecrashte Karre ist nun mal nicht in zwei Tagen repariert, das dauert seine Zeit und manchmal fehlen eben auch noch die Ersatzteile.

Radikale Akzeptanz. Ihr seht, das „Zauberwort“ zieht sich wie ein roter Faden durch. Mein Therapeut sagt es immer wieder. Sie ist Schlüssel zu so vielem. Anstatt so sein zu wollen, wie andere, vielleicht etwas unbeschwerter, vielleicht mit anderen Habits in Beziehungen, vielleicht mit diesem und jenem.. Anstelle dieser gesellschaftsgeprägten Wunschvorstellung darf ich annehmen, dass ich anders bin. Dass ich andere Bedürfnisse habe und wenn ich denen nicht nachgehe und sie kommuniziere(n lerne), dann werde ich wohl irgendwo in mir immer wieder das Gefühl finden, nicht richtig zu sein, weg zu wollen, allein sein zu wollen. Beziehungen sind harte Arbeit, das sagen doch immer alle. Für mich ist es an manchen Tagen ein harter Kampf (mit mir selbst), aber ich habe mich entschieden, den jetzt zu kämpfen. Ich hab das Gefühl, dass es das wert ist. Und irgendwie überwiegen dann doch Neugier und Lebenswille, die mich dazu anspornen, zumindest mal zu probieren, wie weit ich die Leiter zum Glücklichsein hochkomme. Und bisher hab ich mich ja meistens selbst übertroffen.

2 Gedanken zu “Gefühl und Depression #relationship

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