Kinky and sober #sobriety

(Triggerwarnung: Sex, Alkohol- und Drogenmissbrauch)

Wer hier schon einige Beiträge gelesen hat, weiß, dass ich in den letzten Jahren viel ausprobiert habe – auch in sexueller Hinsicht. Es gab Phasen, da war ich jedes Wochenende auf mindestens einem Kinky-Event, habe mich treiben lassen, habe es mit mir treiben lassen…
Ich liebe es, mich in sexy Outfits zu werfen, wild zu sein, Dinge zu tun, die für andere tabu sind. Die Kinky-Elli wurde schnell ein wichtiger Teil von mir. Und bald gab es nur noch wenige Bereiche in meinem Leben, in denen mein Umfeld nicht zumindest ein bisschen Bescheid wusste über das, was ich so tue. Wieso sollte ich diesen Part von mir verstecken? Es muss nicht jede*r gut finden, es muss sich niemand genötigt fühlen, es genauso zu tun.
Genauso ist es kein Geheimnis, dass mein Kinky-Leben immer sehr eng mit meinem Alkoholkonsum verbunden war. Und weil Betrunkensein, am Ende eigentlich eher kontraproduktiv ist, gab es eigentlich von Anfang an keine Party ohne andere aufputschende Substanzen. (Dazu mache ich keine weiteren Angaben, da dies hier in keiner Weise eine Verherrlichung oder Empfehlung darstellen soll) Ich habe nämlich ziemlich schnell mitbekommen, welche Wirkung das auf meinen Sexualtrieb hat. Und irgendwie genoss ich dieses ganze Highsein schon sehr. Und so wurde jede Party für mich zu einem ritualisierten Trip. Dass ich es dabei das ein oder andere Mal übertrieben habe, ist jetzt kein so großes Geheimnis. Und so hatte der Spaß natürlich auch seine Schattenseiten. Angefangen vom Dissoziieren beim Sex auf der Partys, über Dinge, die non-consensual waren, bis hin zum (emotionalen) Kater, der mehrere Tage anhielt. Manchmal brauchte ich die Tage unter der Woche, um mich von meinen Exzessen am Wochenende zu erholen und dann nach vier oder fünf Tagen weiterzumachen.

Seit ich sober bin, habe ich hier wenig Kinky-Content produziert. Daher wird es heute mal wieder Zeit. Aber natürlich hat auch der Beitrag etwas mit meiner Nüchternheit zu tun. Ich möchte daher zunächst gern an den Anfang meiner Nüchternheit vor mehr als sieben Monaten zurückgehen. Die Tage davor und die ersten nüchternen Tage waren geprägt von einem inneren Kampf und von ganz viel Unsicherheit. Eine meiner größten Ängste war, dass ich meinen sozialen Status verlieren würde. Und das bezog sich sowohl auf meinen vanilla Freundeskreis, als auch auf meine kinky Freunde und Aktivitäten. Ich hatte Angst, dass die Menschen die nüchterne Elli nicht mehr locker, cool, entspannt und hemmungslos (genug) finden könnten. Ich hatte Angst, dass mir alles, was ich dachte bis dahin zu lieben und zu brauchen, nüchtern mit Sicherheit keinen Spaß mehr machen würde. Generell ging ich davon aus, dass mein nüchternes Leben eine bittere Strafe für all meine Ausschweifungen sein würde und daher zwangsläufig langweilig und fad sein müsste.

Als könnte ich der Erfüllung meiner inneren Prophezeiung damit entgegenwirken, beschloss ich, nach den ersten nüchternen Wochen, in denen ich mich in einen Wattekokon eingesponnen hatte, die Flucht nach vorn anzutreten. Ich sagte mir, dass die nüchterne Elli auf jeden Fall all die Dinge, die sie bis dato immer unter Alkoholeinfluss getan hatte, auch nüchtern würde machen können. Ich wollte mir selbst beweisen, dass der Alkohol auf mich und zu einem Teil auch auf die Gesellschaft gar keinen so großen Einfluss hatte. Dass generell die Wirkung und damit verbundene Gefahr nicht so groß war. Ich ging also in Bars, in Clubs, auf Partys und redete mir die ganze Zeit ein, dass all das nichts mit mir machen würde.

Auf vanilla Partys ist es die eine Sache, irgendwie Smalltalk zu führen. Mir geht es generell besser, wenn ich unter Menschen bin, die ich kenne, die mir vertraut sind und wenn ich nicht mit neuen klarkommen muss.
Bei kinky Partys ist mein Anspruch irgendwie schon der, dort auch aktiv zu sein. Ich gehe ja auch nicht in die Sauna, wenn ich nicht schwitzen will. Ich merkte aber schnell, dass meine alte Taktik, Hingehen und schauen, was passiert, nüchtern nicht mehr funktioniert. Denn nüchtern passiert erstmal gar nichts.
Und so wurde es die ersten Male tendenziell eher zu einem „Jetzt hab ich wenigstens was gemacht“- Abend, wenn überhaupt. Und irgendwie war ich dann jedes Mal erleichtert, als ich endlich „gehen konnte“. Die Elli, die früher immer die erste war, die am Vögeln war und die Letzte, die am Morgen nach Hause ging, ist plötzlich schüchtern und verabschiedet sich als erste. Und es frustriert mich jedes Mal aufs Neue. Andererseits, sage ich jetzt auch mal konsequent zu Dingen nein, die ich vorher hemmungslos und ohne nachzudenken getan hätte. Ich suche gezielt, was ich möchte und genießen kann und tue nichts, wobei ich mich unwohl fühle.

Ich sehe also irgendwie ein, dass all das nicht mehr das Gleiche ist. Ich bin aber dennoch davon überzeugt, dass die Kinky-Elli mit der Nüchternheit nicht ausgetrocknet ist. Vermutlich muss ich meine innere Kinky-Queen erstmal neu entdecken, so wie vieles, was aktuell manchmal merkwürdig fremd und neu für mich ist. In diesem Zuge wurde mir auch klar, dass ich meinen neuen Partner nicht einfach so „integrieren“ kann, oder vielmehr, wieso sich der Gedanke irgendwie merkwürdig anfühlt. Aber das ist auch gut so, denn so kann ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Schauen, was sich nüchtern gut und richtig anfühlt und das mit ihm gemeinsam machen und gemeinsame Kinks, Vorlieben und aufregende Dinge entdecken. Eben einmal alles neu.

Dieses „Neue“ fühlt sich in vielen Bereichen meines Lebens gerade extrem überfordernd an. Es ist anstrengend und fordert mich Tag für Tag. Aber ich schätze, wenn es manchmal weh tut, das ist es Veränderungsschmerz. Und das ist eigentlich etwas Gutes. Trotzdem denke ich manchmal, dass ich nicht genug Kraft habe für all das. Und dann erscheint der Gedanken ans Umkehren irgendwie verlockend. Einfach wieder zurück ins alte Leben, nicht so viel fühlen, mehr eskalieren. Aber will ich das wirklich? Eigentlich nicht…
Also werde ich durchhalten, weil Weglaufen jetzt keine Option mehr ist. Trotzdem hart. Aber ich muss akzeptieren, dass es nach 20 Jahren eben nicht mit einem Fingerschnipp funktioniert. Und das ist okay.
Tbc…

6 Gedanken zu “Kinky and sober #sobriety

  1. Was ist Dir so wichtig, vor anderen als „locker, entspannt, kinky….“ gesehen zu werden? Es geht doch um Dich! Mir sagte mal ein junger Kerl in einem Club: „Ich verstehe Dich nicht, Du bist nüchtern, nimmst keine Drogen, tanzt wie der Lump am Stecken – ich könnte das nicht ertragen“. Meine Antwort war dann, er solle sich mal überlegen, ob diese Szene dann die Richtige für ihn ist.
    Für mich war es natürlich einfacher, ich habe die Szene nur nüchtern kennen und lieben gelernt, und es gibt auch da genug Leute, die sich nicht zudröhnen!
    SO habe ich auch die Kalkbrenners kennengelernt, der Fritz wäre ja beinahe hopp gegangen …
    Geniesse Dein sober Leben – ich mach es auch und ich pfeife schon lange auf die Meinung Anderer. Die sind eh nur neidisch!

    Gefällt 1 Person

  2. Hi Ellis. I feel you. Unglaublich wie sehr ich dich in deiner Not sehen kann und meine zu wissen wie du dich fühlst. Aber dennoch, in einem Buch, von Cathrine Gray, habe ich gelesen, dass der Alkohol einfach nur macht, das unsere natürlichen Hemmungen, weggeschwemmt werden. Hemmungen sind zu unserem Schutz da und das wir uns nüchtern in verschiedenen Situationen so verloren fühlen hängt sicher zum größtenteils damit zusammen. Da wo du sagst, du gibst dich noch nicht auf und versuchst weiter, Vergangenes auch nüchtern zu mögen, glaube ich fast, dass ich Vieles davon einfach gar nicht war. Ich, für mich, werde eher meine neuen Grenzen erleben und sie lieben lernen. Yeah, vielleicht ist the new me, less exciting, more boring, but at least it’s pure me.

    Liebe Grüße.
    Nicole

    Gefällt 1 Person

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s