Angst.

Es könnte alles so schön sein. Ist es eigentlich auch. Aber eben nur eigentlich.
Da ist dieser neue Mensch, der via Datingapp in mein Leben gestolpert ist und mit dem irgendwie bisher alles ganz schön gut passt. Und eigentlich möchte ich rumliegen und schwelgen und all die Schmetterlinge genießen. Stattdessen stelle ich jeden Tag wieder alles infrage. Nicht ihn, nicht dieses kleine winzige „uns“, was wir nach vier Wochen haben. Mich!
Ich schaue aus dem Fenster, weiß nicht, wohin mit mir. Meine Depression holt mich mal wieder ein. Und dann denke ich mir, dass das doch alles gar nicht sein kann. So einen Menschen wie mich kann man doch nicht toll finden, mögen oder gar mehr noch. Ich bin doch viel zu viel und doch irgendwie nicht genug. Ich bringe so viel Scheiß mit, so viele Päckchen. Die passen doch nirgendwo rein. Was für andere normal ist, ist für mich schnell ein großes Problem. Und obwohl ich mich so einsam fühle, will ich eigentlich niemanden sehen und niemanden hören. Dennoch zwinge ich mich. Weil ich weiß, dass es dann besser wird. Weil die Realität auch anderes aussieht. Weil mich Freunde und Vertraute auf den Boden der Tatsachen bringen und mir sagen und zeigen, dass ich liebenswert bin.

Aber das sind nur wenige lichte Momente, verglichen mit der großen Düsternis in mir drin. Und etwas in mir sagt mir, dass ich es wieder verkacken werde. Dass wieder alles zu kompliziert wird, weil ich so kompliziert bin und weil mir diese Scheißangst alles vermasselt. Ein Teil von mir würde lieber aus dem Fenster springen, als sich auf einen Menschen einzulassen, der mich wirklich mag. Schlimmer: einen Menschen, den ich wirklich mag. Weil mein Katastrophenhirn mir schon voraussagt, wie es enden wird. Und dass ich mich natürlich nicht auf meine Sinne verlassen kann. Und weil mein Herz weiß, dass es das nicht nochmal aushält. Und so frisst sie sich ganz langsam von innen nach außen, diese Angst, bis ich dastehe, die Laufschuhe geschnürt, bereit zum Sprint.

Aber noch stehe ich hier. Und ich renne nicht. Weil ein Teil von mir weiß, dass es neben einer letzten Chance auch die erste sein könnte. Weil es irgendwie beides zugleich ist. Weil ein Teil von mir weiß, dass wenn ich jedes Mal wieder wegrenne, es immer wieder weh tun wird. Dann tut es weh und ich renne und es tut weh und ich renne….
Dabei will ich nicht mehr rennen. Ich bin so müde davon. Aber dann muss ich mich stellen. Dann muss ich in dieses verdammte kalte Wasser springen und endlich anfangen zu schwimmen.

Es ist eigentlich gar nicht so schwer. Aber eigentlich ist es doch verdammt hart. Wenn ich doch nur diese kritischen Stimmen in meinem Kopf ausschalten könnte. Manchmal gelingt es mir, wenn ich ganz, ganz lieb zu mir bin und mein inneres Kind ein bisschen streichle. Dann wird meine Kritikerin ruhiger.

Und während ich all diese düsteren Gedanken wälze, ist da doch irgendwie ein kleiner Lichtstrahl am Horizont. Mut!
Trotz oder vielleicht auch weil ich so resigniert bin und mir denke, es wäre doch so viel einfacher, sich auf gar nichts einzulassen, um nicht mehr verletzt zu werden Dann denke ich mir oft: Was solls… spring ich halt. Wenn das Wasser kalt ist, muss ich schwimmen, wenn es brennt, verbrenne ich mit. Es ist eine Mischung aus Neugier, Mut, Ungeduld und eben ein bisschen Resignation. Wie viel schlimmer kann es werden?

Und mein Mut und der Trotz bringen mich dazu, dass ich ihm das ehrlich sage, was ich denke, dass ich Angst habe. Und siehe da, ich bin nicht die einzige, die Angst hat. Angst ist nämlich etwas voll Normales. Angst ist sogar gut, in Maßen. Die Kunst ist, dass man sich von ihr nicht einnehmen lässt. Dass man zulässt, dass man alles dazwischen, die schönen Dinge, die kleinen Kleinigkeiten, die frische Beziehungen so wundervoll machen, auch noch genießen kann.
Wenn ich bei ihm bin, geht das. Meine Nüchternheit hilft mir dabei. Diese Angst habe ich bereits abgelegt. Hallo!? Das ist ein Fortschritt!
Ich liebe es, bei Dates und vor allem beim Sex nüchtern zu sein. Aber wenn ich allein bin, verzweifle ich. Wer bin ich? Wo bin ich? Was soll ich tun?

Und natürlich frage ich mich, ob es nur Hirngespinste sind.
Natürlich nicht. Da sind so viele Geister. Da sind so viele Gründe und ich kenne sie, erforsche sie immer wieder. Und ich weiß zugleich so gut, dass es „nur“ Geister sind. Und doch lassen sie mich oft nicht los. Sie ziehen und zerren an mir, bis mir ganz schlecht und schwindelig wird.
Ich denke nicht, dass ich eines Morgens aufstehe und alle verschwunden sind. Aber ich denke, je mehr ich sie kenne, umso besser können wir Frieden schließen. Wenn die Geister aufhören, meine Feinde zu sein, dann kann ich auch friedlicher mit mir selbst umgehen. Das wiederum ist Fluch und Segen meiner Nüchternheit. Ich fühle und ich fühle. Und vermutlich ist deswegen jetzt vieles anders, intensiver und furchteinflößender. Früher habe ich alles, was ich nicht fühlen wollte, einfach heruntergespült. Jetzt habe ich keine Wahl mehr. Und ich kann nicht erwarten, dass ich das von heute auf morgen gut kann, dass es mir gefällt, dass ich damit umgehen kann. Aber ich kann es lernen. Es sind kleine Babysteps. Jeden Tag. Und er macht es mir leicht. Wirklich. Nur Geduld ist eben nicht meine Stärke.

Ich hab schon viel verloren, meine Hoffnung gehört nicht dazu. Und zumindest daran kann ich noch festhalten, solange, wie es eben dauern wird.

3 Gedanken zu “Angst.

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