„Hi, wie geht´s?“ ist in Deutschland, wie auch in vielen anderen Ländern eine gängige Begrüßung. Es geht meistens auch gar nicht so richtig darum, sich in diesem Moment groß und breit darüber auszutauschen, wie man sich gerade fühlt, gut oder schlecht, ob man es nicht weiß, oder ob man gerade zu Tode betrübt ist. Es ist eher eine Floskel, auf die die man antwortet: „Gut und selbst?“
Ich habe das irgendwie nie so richtig verstanden und daher selbst nicht gemacht, bzw. nicht „richtig“ geantwortet und nicht die Gegenfrage gestellt. Vielleicht halten mich manche Menschen deshalb für unhöflich, keine Ahnung. Aber irgendwie war mir nie richtig klar, wieso man das so macht. Also wenn mich jemand fragt, wie es mir geht, dann will ich auch ehrlich antworten. Und meistens bin ich dann irritiert, wenn mich Menschen danach fragen, die ich eigentlich gar nicht wirklich kenne. Es passiert selten, dass ich meinen aktuellen Gefühlszustand mit einem einfachen gut beschreiben würde. Weshalb ich bei der Frage irgendwie immer ins Stocken gerate.
Ich habe gelernt, das in manchen Situationen dann einfach zu machen. Aber irgendwie fühle ich mich dabei oft komisch.
Manchmal, wenn ich das Gefühl habe, die Person hat zumindest ein wenig Interesse an mir als Mensch, dann sage ich schon auch mal etwas mehr. Wie „Geht so!“ oder „Etwas müde heute!“ Aber das ist ja auch kein wirkliches Gefühl.
Das ist ein echtes Dilemma für mich.
Ist es meine Scham, oder will die Gesellschaft das echt von mir? Oder gehen alle davon aus, dass es den meisten Menschen einfach immer gut geht? Geht es den meisten Menschen meistens gut?
Was wäre, wenn ich sagen würde: „Hi, cool, dass es dir gutgeht. Meine Depression kickt grad dermaßen rein, ich komme kaum aus dem Bett und muss mich zu jedem Schritt zwingen. Keine Ahnung, wann das mal wieder besser wird. Alles ist grad richtig mies.“ Also ich meine, das wäre eine ehrliche Antwort, die ich ehrlicherweise aber nur Menschen gebe, die mir nahestehen. Diese Antwort bekommen sogar nur die allerwenigsten.
Erwartet man die Standardantwort, weil es sozusagen gesellschaftliche Norm ist? Ist es ein Haken auf der „Ich bin jetzt mal empathisch“ Liste?
Also ich habe damit ein echtes Problem. Einerseits wurde mir dieses Fragen nach allgemeinen Befindlichkeiten nicht so beigebracht, oder ich habe es nicht so wahrgenommen, kann ich so genau nicht sagen. Was bei mir hängen blieb, war eher, dass man den Mund aufmachen sollte, wenn man ein Problem hat. Wer nix sagt, dem gehts auch gut. Einfaches Prinzip. Ein Irrglaube, dem ich jahrelang auf den Leim gegangen bin. Ja, es gibt Menschen, dazu zähle ich meinen Partner und auch meine engsten Freunde, die erzählen mir ungefragt, wie es Ihnen geht und dafür bin ich dankbar. Und weil ich generell auch eher dazu neige, meine Launen ungefragt preiszugeben, habe ich das lange nicht hinterfragt. Früher, also als Teenie, habe ich das echt bei jedem gemacht. Mittlerweile weiß, wende ich mich im akuten Momente wirklich nur an engste Vertraute. Wenn die Dinge hier auf dem Blog landen, sind sie meist schon reflektiert. Und auch ihr habt die Wahl, ihr müsst das hier nicht lesen.
Insofern habe ich spät gelernt, dass Menschen nach ihren Gefühlen gefragt werden wollen und viele dachten wirklich, ich wäre nicht empathisch. Ganz offensichtlich tickt unsere Gesellschaft ja so, dass man Konsens erwartet, bevor man sich dem Gegenüber anvertraut. Also dadurch, dass man gefragt wird, bekommt man die Erlaubnis über seine Gefühle zu reden. Also vermutlich bin ich da echt etwas „behindert“, weil ich das irgendwie strange finde. Aber hey, ich lerne da echt täglich dazu. Manchmal schäme ich mich ein bisschen dafür, dass ich erst 30 werden musste, damit mir das klar wird. Aber besser spät als nie.
Das hier ist meine ganz offizielle Entschuldigung an alle, die mein Nichtfragen als Desinteresse interpretiert haben. Ich gelobe Besserung. Darüber hinaus bin ich dennoch eine Person, der man auch ungefragt seine Sorgen anvertrauen darf. Try it!
Und was diese Konvention mit der Begrüßung angeht, bin ich nach wie vor zwiegespalten. Interesse heucheln finde ich doof, jedem einfach „alles“ erzählen auch.
Was denkt ihr dazu? Gibt es einen Mittelweg ohne Zwickmühle?
Ich antworte gerne auf diese Begrüßungs-Frage: „Am liebsten gut“.
Falls ich mal etwas von mir preisgebe, dann eher nicht gleich nach der Begrüßung (sfrage).
LG, Max
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Gute Idee. Danke
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