Dieses Jahr ist noch nicht zu Ende, aber ich erlaube mir trotzdem schon jetzt mal einen kleinen Rückblick. Vor allem, weil ich mir fest vorgenommen habe, dass 2022 genug Dramen passiert sind und ich dieses Jahr ganz unspektakulär zum Ende bringen werde. So viel zur Theorie.
Es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass hinter mir die 12 schwersten Monate meines Lebens liegen. Ohne Mist, meine Scheidung war ein Scheißdreck dagegen. Ich finde, ich hab mich dafür wacker geschlagen. Auf Details hier einzugehen, bin ich lange noch nicht bereit. Darum soll es mir heute aber auch nicht gehen. Denn auch, wenn es mies war und hart und ich manchmal wirklich nicht mehr weiter wusste und auch nicht wollte: Ich bin hier! Ich lebe! Und mir geht es gut.
Nachdem man viele Herausforderungen gemeistert hat, über steinige Pfade gewandert ist, wenn man Berge erklommen und tiefe Täler durchquert hat, dann lernt man Dankbarkeit für die schönen Dinge erst so richtig. Und man lernt eben diese schönen Dinge viel mehr zu schätzen.
Ich will damit nicht sagen, dass andere Menschen nicht glücklich sind und dass jeder einmal durch die Hölle gegangen sein muss. Das wünsche ich wirklich niemandem. Ich will bei mir bleiben und meinem Überlebenswillen. Heute, jetzt genau in diesem Moment bin ich glücklich. Ich laufe durch die Herbstsonne, genieße die leichte Wärme, höre das Rauschen des Windes in den Blättern und freue mich, dass ich leben darf. Das Gefühl, welches mich überkommt, rührt mich tief in meinem Herzen, es ergreift mich, trägt mich weg und ich fliege gemeinsam mit den Wolken. Schwerelos…
Um nichts in der Welt möchte ich all das wiederholen. Und trotzdem spüre ich diese tiefe Dankbarkeit, weil Tiefen mich gelehrt haben, dass es immer wieder aufwärts geht. Weil ich gelernt habe, mich selbst in den Arm zu nehmen, auf Dinge und Menschen zu scheißen, die mir nicht guttun und mein Leben so zu leben, wie ich es für richtig halte. Ich bin liebenswert, witzig und intelligent. Ich bin gesund. Ich sehe wirklich nicht schlecht aus. Ich habe moralisch vertretbare Prinzipien. Ich habe einen unfassbar tollen Job, in dem ich sehr erfolgreich bin. Ich lebe in einer schönen Wohnung und habe einen Partner, der loyaler nicht sein könnte.
Und ja, darauf bilde ich mir etwas ein. Darauf bin ich stolz! Zu Recht!
Und trotzdem habe ich keine Lust, mir anzuhören: Du hast doch all das, dann sei doch glücklich! Denn auch, wenn meine Grundbedürfnisse gestillt sind, ist das eben theoretisch so leicht, was in der Praxis harte Arbeit ist.
In diesen Momenten des Glückes aber, ist es mir egal, was andere denken, ob sie nur meine Hülle sehen, ob sie mich kommentieren oder nicht. Dann zähle nur ich. Und diese Momente sind wertvoll, weil sie selten sind. Weil sie es vermögen all die Selbstzweifel, all die Wut, Trauer und Schuldgefühle für Augenblicke zur Seite zu schieben und mir das wirklich schöne der Welt zu offenbaren.
Und dann wünsche ich mir diese Momente einfrieren zu können, zu konservieren, für immer und ewig und nichts anderes mehr fühlen zu müssen als dieses unendliche Glück. Ich weiß, dass das unmöglich ist und vermutlich wäre es auch irgendwie langweilig. Aber realistisch gesehen möchte ich lernen, mich in den dunklen Zeiten öfter an dieses Gefühl zu erinnern und daran, dass es wieder kommen wird, immer öfter.
Einen großen Teil dieser Entwicklung habe ich mir selbst zu verdanken, weil ich ein Mensch bin, der stetig an sich arbeitet. Ich will, dass es mir besser geht, ich will in der Zukunft mehr glückliche Momente haben, als unglückliche. Ich gebe nicht auf, ich gebe mich nicht zufrieden, ich kämpfe, damit ich weiter komme.
Aber manchmal bin ich auch erschöpft, da hilft all das Wollen nicht. Und vermutlich hätte ich schon öfter mal ans Aufgeben gedacht, wäre da nicht mein Partner und Herzensmensch, der mich genau dann auffängt. Seit wir uns kennen, glaubt er an mich ohne Kompromisse und ist immer für mich da, wenn ich nicht weiter weiß oder kann. Er lässt für mich alles stehen und liegen, wenn ich in Not bin und hat selbst, als ich nicht von ihm wissen wollte, seltenst ein schlechtes Wort über mich verloren.
Mir als bindungsphobischem Menschen fällt es oft nicht leicht, das von ihm anzunehmen und zu schätzen. Es klingt vielleicht merkwürdig, aber ich manchmal habe ich das Gefühl, ich hab mich so an das Leiden gewöhnt, dass es beinahe dazu gehört und ich mich gegen dieses Glück wehre. Ein Teil von mir denkt auch, ich hätte es nicht verdient. Aber das hatten wir schon mal. Glück ist Grundrecht für Jede*n.
To put it in a nutshell: Glücklichsein ist wunderbar, es macht Spaß, es macht das Leben heller und bunter. Ich kann das. Und ganz wichtig: ich konnte es auch schon oft. Aber, wie das so ist, prägen sich die harten Zeiten tiefer ein und überschatten oftmals, was davor war. Und ich glaube genau deshalb, versuche ich diesmal wirklich dieses Gefühl zu konservieren, dass ich mich auch morgen, oder nächste Woche oder in einem Monat, wenn man wieder Wolken aufziehen, daran erinnern und weiter daran nähren kann.