Reden ist Gold

Seit ein paar Wochen mache ich wieder dieses Ding. Ich baue eine fette Mauer um mich herum. Ich bin der Lonely Warrier. Alles mache alles mit mir selbst aus. Spiele Opfer und zugleich bin ich extrem hart im Nehmen. Das funktioniert. Vor allem, wenn ich funktionieren muss. Aber eigentlich bin ich nicht so. Ich bin eigentlich weich, sanft, brauche Nähe, Zärtlichkeit, Aufmerksamkeit, rede gern, bin gern unter Leuten und mag es, wenn viel passiert. Daher kann ich diese weiche Seite an mir auch immer nur kurze Zeit unterdrücken, bis sie sich mit aller Macht wieder ans Licht drängt. Wieso also dieses Hin und Her?
Die Antwort ist einfach. Die extrovertierte Elli ist leider auch extrem verletzbar. Und lange bin ich mit blutenden Wunden vollkommen ohne Schutz und ohne Angst durch die Welt gelaufen. Und am Ende habe ich mich gewundert, wieso alles immer wieder so weh tut, wieso die Wunden nicht heilen, wieso ich nicht zur Ruhe komme, wieso das Leben ein endloser schmerzender Strudel ist.
Mittlerweile habe ich gelernt, wann ich mich schützen muss, wann ich besonders vulnerabel bin, wann ich Ruhe brauche, um Wunden heilen zu lassen. Diese introvertierte Seite an mir lerne ich gerade erst noch kennen und vieles an ihr ist mir noch so neu und fremd. Ich kannte es beispielsweise auch nicht, dass man so etwas man in Beziehungen darf. Dass man sich auch mal zurückziehen und auf sich selbst schauen darf, ohne dass der andere deswegen verletzt ist, oder Angst um die Beziehung haben muss.
Ich habe letztens zu MK gesagt, dass ich ihn bewundere, da ich gerade nicht mit mir selbst zusammen sein möchte. Und ich würde lügen, wenn ich behaupte, nicht öfters darüber nachgedacht zu haben, wie viel Sinn diese Beziehung noch macht, ob es das Richtige ist, ob ich glücklich bin, ob ich wieder glücklich werde und so weiter…
Aber gerade, wenn es um Beziehungen geht, dann sollte man, um diese Fragen zu beantworten, miteinander reden. Ich hab mich gesträubt, ja fast gewehrt, unsere Treffen bewusst kurz gehalten. Ich wollte nicht reden, ich wollte ihm nicht nah sein aus Angst, dass ich am Ende blutüberströmt dastehe, weil die ganzen verheilenden Wunden wieder aufreißen. Und Überraschung: wir haben geredet, ich lebe noch und von Blut ist keine Spur.

Und wieder staune ich darüber, wie dieser Mann mich sieht, mit welcher Engelsgeduld er für mich da ist oder eben auch nur neben mir herläuft. Wie er es hinnimmt, dass ich mich selbst und auch unsere Beziehung immer wieder zu sabotieren versuche, weil ich glaube, all das nicht wert zu sein. Er sagt, er würde niemals weggehen. Ich sage, dass ich genau das befürchte. Ich sage es mir selbst viel zu selten, aber ich weiß, dass ich ohne ihn wesentlich schlechter dran wäre. Und mein inneres Kind schreit, mein Kritiker brüllt. Wie kann das alles sein? Das ist nicht wahr. Ein Mensch liebt einen anderen nicht auf so eine Art und Weise. Und meine innere Erwachsene nickt und weiß, dass das genau das ist, was ich brauche. Geduld, Verständnis, Rat, Empathie und eine Person, die bereit ist, mir jeden Tag zuzuhören und zugleich mir aber auch ihre eigenen Geschichten zu erzählen hat.
Und dann sitze ich da, Tränen trocknen langsam in meinen Augen. Ich blinzle ihn an und finde ihn plötzlich wieder sexy. Und auf einmal ist das Eis zwischen uns wieder gebrochen und es fühlt sich an wie Erlösung, ich schmelze dahin und ertrinke im Cocktail der Emotionen.

Eine andere Person, mit der ich viel geredet habe, ist meine Oma. Seit knappen zwei Monaten haben wir wieder Kontakt, nachdem dieser vor 15 Jahren geendet hatte. Und eigentlich hatte ich wirklich nicht vorgehabt, das wieder aufzuwärmen. Aber manchmal kommen Dinge eben anders, als man denkt. Ich bin so dankbar, dass sie mich bereitwillig wieder in ihr Leben gelassen hat und wir jetzt eigentlich jeden Tag schreiben und wenn es passt, sehr lange telefonieren. Und natürlich gibt es nach 15 Jahren eine Menge, was wir aufholen müssen und natürlich ist nicht jedes Thema leicht und angenehm. Das Schöne ist, ich bin jetzt erwachsen, ich habe selbst viel erlebt und kann Entscheidungen, die sie vor Jahren getroffen hat, nun besser verstehen. Und zugleich gibt es Dinge, die sie von mir nicht weiß und die ich ihr erzählen kann und möchte. Und auch das ist nicht alles angenehm. Aber meine Omi ist mutig und sie hört mir zu und sie denkt über das nach, was ich zu berichten habe. Und jedes Mal, wenn ich etwas auf dem Herzen habe, dann habe ich erstmal Panik es anzusprechen, weil ich das so gewohnt bin. Weil ich mit negativen Reaktionen rechne, weil ich mich schon immer auf das Schlimmste gefasst mache. Aber in diesen Gesprächen tritt das Schlimmste nie ein. Im Gegenteil. Ich bin immer so positiv überrascht über ihre Reaktion und ich merke, wie wohl und sicher ich mich plötzlich fühle und wie leicht es mir fällt, meine Gedanken und Gefühle auszusprechen. Ich kenne das so nicht und ich könnte heulen vor Dankbarkeit. Und so traurig und wütend ich über alles bin, was uns an Negativem verbindet, so froh bin ich, mit ihr eine Person gefunden zu haben, die bedingungslos auf meine Seite steht, immer stand und die stolz auf mich ist und mir das auch sagt. Und jedes einzelne Mal, wenn ich zum Hörer greife und wieder was auf dem Herzen habe, was mir schwerfällt, dann bin ich hinterher um einiges leichter, glücklicher und mein inneres Kind lacht vor Freude und Liebe.

Reden ist Gold!

2 Gedanken zu “Reden ist Gold

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