Zurück im Alltag oder der alltägliche Wahnsinn

Seit mehr als einer Woche hat mich Berlin wieder. Und um ehrlich zu sein, habe ich das Gefühl, ich habe den Urlaub und die anstrengende, aber auch unglaublich schöne und lehrreiche Zeit in Portugal ein bisschen verdrängt. Seit ich wieder hier bin, dreht sich alles um das Thema Umzug. Es gibt einiges zu organisieren und vor allem gibt es eine Menge Geld auszugeben. Aber damit komme ich an sich ganz gut klar. Am Geld soll es nicht scheitern und Geld kann eben auch gegen Stress helfen, gegen den Stress, alles selbst machen zu müssen. Ich weiß, dass ich im Grunde genug Freunde habe, die mir beim Umzug behilflich sein würde, aber das bedeutet auch die volle Verantwortung und Koordination übernehmen, für Schäden selbst zu haften und so weiter. Daher beauftrage ich erstmals Spedition, Maler und Küchenaufbau und lasse mir das professionell erledigen. Das kommt auch meiner stressanfälligen Psyche zugute.

So weit, so gut. Die nervenaufreibendsten Dinge sind geklärt und mein „oh mein Gott ist das alles teuer“ wird auch langsam wieder leiser. Kein Grund zur Panik.
Parallel dazu habe ich, seit ich zurück bin, auch wieder den Arsch voll Arbeit. Aber darüber will ich echt nicht klagen. Ich mag meinen Job und gerade habe ich auch (fast immer) die nötige Energie und Motivation dafür. Das ist auch insofern gut, dass ich dieses oben erwähnte Geld nun auch mit gutem Gewissen ausgeben kann. Yippie. Bedeutet aber auch, lange Tage, wenig Zeit für Freunde und Beziehungen und ein latentes ständiges unter Strom stehen. Ich liebe es so sehr, wie ich es hasse. Ich funktioniere gut unter Stress, das ist schon okay für mich. Aber ich bekomme manchmal auch ein schlechtes Gewissen, weil ich in solchen Phasen auch recht asozial bin. Das bekommt besonders MK dieser Tage deutlich zu spüren.

Um ehrlich zu sein, kommt es mir ein bisschen gelegen. Seit ich nicht mehr trinke, befinde ich mich in einem Wattebausch, der mich umgibt und vor schädlichen Einflüssen und zu vielen Gefühlen abschirmt, mich weich und warm einpackt, damit ich auf gar keinen Fall Schmerzen spüre, wenn ich anecke oder falle. Auch das ist okay für mich. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mich in meinem Leben gefühlsmäßig mal so neutral empfunden habe. Es ist fremd und angenehm zugleich.
„Keine Gefühle“ heißt aber im Umkehrschluss auch, weder negative noch übermäßig positive. Also auch kein „happy in love“, kein „ich feiere meine Erfolge“ und kein „juhu es ist Wochenende“. Es ist irgendwie alles gleich.
Das geht vorbei, sagt mein Therapeut. Also bleibe ich geduldig.

Dennoch sitzt die bindungsphobische Elli hier und hat ein bisschen Angst. Ich bin nicht sicher, wie ich das beschreiben soll, ohne ungerecht und undankbar zu sein. Vielleicht habe ich gerade auch ein fach keine Lust auf eine Beziehung. Aber ist das etwas, was man sich jeden Tag aussuchen kann? Ich denke nicht. Ich rede doch selbst immer so viel von Beziehungs-Verantwortung. Ich komme mir fies vor, wenn ich mich tagelang bei MK nicht melde, weil ich „so viel zu tun habe“. Auf der anderen Seite merke ich, ich KANN gerade auch nicht. Es ist mir zu anstrengend. Und dann kann der trotzige kindliche Teil in mir alles auf ihn schieben und sagen, ER ist zu anstrengend. Und dann fragt meine innere Erwachsene: bist du sicher? Und meine innere Kritikerin meckert: schau dich doch mal selbst an! Und ich stehe da und habe direkt keine Lust mehr. Keine Lust auf Beziehungen und denke mir, am besten lebt es sich doch ohnehin allein.

Achja und dass meine Libido seit Wochen schon im Winterschlaf ist, ist auch nicht gerade förderlich für jegliche Art von Beziehung. Aber das ist wieder eine andere Geschichte und hat auch andere Ursachen.

Was ist das jetzt also? Hormon- und launengesteuerte Unsicherheit? Liegt es tatsächlich an ihm? Bin ich zu egoistisch, zu anspruchsvoll? Zu… was denn eigentlich? Seht ihr: Das bringt mich voll ins Wanken. Und das ist leider ein unsicheres Bindungsverhalten, wie es im Buche steht, und zwar in dem von Stefanie Stahl.

Apropos Laune: Ich habe es nicht für möglich gehalten, aber dieser Umzug ist tatsächlich ein sehr emotionaler Akt für mich. Ich denke gerade oft an die Zeit, als ich hier eingezogen bin. Als ich gerade aus meiner toxischen Ehe entflohen war. Vieles erinnert mich an diesen unwirklichen, unbegreiflichen Zustand. Zugleich war es der erste Schritt in Richtung Freiheit und hin zu der Person, die ich in den letzten viereinhalb Jahren werden durfte. Ich darf mich nicht wieder fesseln lassen. Ich darf dankbar sein. Denn jetzt bin ich hier, jetzt ist das alles weit weg, Vergangenheit. Jetzt kann ich ein neues Kapitel aufschlagen.

Was mache ich jetzt mit all dem? Ich übe mich in Gelassenheit. Habe nicht umsonst das Wort „Serenity“ seit meinem Portugalurlaub auf dem Unterarm stehen. Ich glaube, voreilige Schlüsse zu ziehen und Entscheidungen zu treffen, wäre jetzt keine so gute Idee. Entscheidungen haben Konsequenzen.
Ich vergesse manchmal, dass dieses Jahr eine endlose Aneinanderreihung von Herausforderungen war. Dass ich durch einige der tiefsten Täler gelaufen bin und dass sowas eben auch erschöpfend ist und dass man sich von sowas auch erholen muss. Es scheint nur nachvollziehbar, dass mir an einigen Ecken und Enden die Energie fehlt. Mein Körper und mein Geist sind im Überlebensmodus. Wir tun, was wir tun müssen, um zu funktionieren. Alles andere ist gerade nicht wichtig. Wichtig ist, dass ich mir selbst gegenüber Mitgefühl habe und mich deswegen nicht verurteile und fertig mache. Denn das macht alles nur noch schlimmer. Tief in meinem Inneren spüre ich, dass ich mehr emotionale Dramen und Tiefschläge dieses Jahr nicht mehr verkrafte.

3 Gedanken zu “Zurück im Alltag oder der alltägliche Wahnsinn

  1. Mein Wahlspruch:
    „Gott“ gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

    Das heisst aber nicht, dass Änderungen immer sofort durchgeführt werden müssen
    . Mit deiner Denkweise und Deinem inneren Gefühl bist Du auf einem guten Weg!

    Gefällt 1 Person

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