Biketour Portugal: Lissabon – Setubal

Heute bin ich doch tatsächlich gestartet auf meine lange und intensiv geplante Tour. Vor ein paar Tagen war ich ehrlich gesagt noch nicht so sicher, ob sie überhaupt stattfinden konnte, nachdem ich mein geliebtes Bike Leo am Flughafen in Berlin zurücklassen musste. Dafür stand heute Morgen pünktlich um 9.00 Uhr Leonie vor meiner Unterkunft. Sie ist ein schnittiges Tourenrad der Marke KTM und bis auf ein leicht eierndes Vorderrad kann ich mich wirklich nicht beschweren. Kosten: 195 € für 9 Tage. Ich startete in Lissabon und setze mit der Fähre nach Cacilhas über. 1,30 € kostet der Spaß nur, Fahrrad kostenlos. Nach 10 Minuten war ich auf der anderen Seite des Tejo und die Tour konnte beginnen. Zunächst ging es durch kleine Städte, der Verkehr war ordentlich. Bald aber verließ ich die Zivilisation und fand mich im Wald wieder. Der Untergrund wurde plötzlich extrem sandig. Ich traf einen anderen Radfahrer, der mir netterweise erklärte, wie ich am besten auf eine gute Straße käme. Keine Ahnung, ob er wusste, dass der Weg dahin lang und beschwerlich sein würde, oder ob ich am Ende doch nicht den richtigen Abzweig fand. Jedenfalls stellte mich der Teil der Strecke vor die erste Herausforderung. Sand ist echt der Endgegner eines jeden Radfahrers. Ich musste bestimmt zwei Kilometer komplett schieben, bergauf und bergab. Das Laufen im Sand war beschwerlich. Immer wieder versanken entweder ich oder Leonie im Sand und ich hoffte hinter jedem Hügel, es möge doch endlich besser werden. Ich war wirklich kurz vorm Verzweifeln und fluchte laut vor mich hin. Sie Sonne stand im Zenit, ich war den Tränen nahe und ich wollte nichts mehr, als endlich wieder festen Boden unter den Füßen haben. Nach einer Stunde erreichte ich keuchend endlich wieder die Landstraße, wo ich weiterhin bergauf und bergab fuhr, bis ich endlich den Atlantik sehen konnte. Die Aussicht, die sich mir bot, entschädigte mich dann doch ordentlich für die schwierige Teilstrecke. Ich wollte vor der Pause unbedingt noch den Cabo Espichel, den östlichsten Zipfel der Tour erreich. Allerdings verlangte mir auch dieser Teil der Etappe einiges ab. Die Berge waren extrem steil. Im niedrigsten Gang und nach Luft schnappend erklomm ich mit Leonie jeden einzelnen. Ich war nach insgesamt 55 km am Limit meiner Kräfte. Am Kap angekommen, war ich dafür extrem überwältigt von der wundervollen Natur, dem Wind, den Wellen und dem tief türkisen Wasser, was gegen die Felsen klatschte. Ich machte kurz Rast, tank und aß eine Kleinigkeit. 40 km fehlten noch bis zum Etappenziel. Mir war klar, dass ich mir meine Kräfte gut einteilen musste. Also beschloss ich, nicht ganz nach meiner Navigationsapp komoot zu fahren, sondern mich weiter auf der befestigten Straße und auf dem schnellsten Weg nach Setubal zu bewegen. Die Straßen waren zwar überwiegend gut, aber es ging weiterhin über viele Berge. Bergauf begann ich zu singen: Smoke on the Water kam mir in den Kopf. Dü dü düm, dü dü dü düm, smooooke on the waaateer. Irgendwie passte dieser energische Song zu meiner Stimmung. Also um es deutlich zu machen: meine Stimmung war in keinem Moment wirklich schlecht. Ich redete mir gut zu, dass ich es schaffen würde und dass ich mir das ja auch selbst ausgesucht hatte. Ich genoss im Gegenzug dann den Wind im Gesicht, wenn ich mit 35 km/h die Berge auf anderen Seite wieder hinuntersauste. Es war ein Abenteuer und das Adrenalin, welches durch meinen Körper schoss, ließ mich Höchstleistungen vollbringen. Und so erreichte ich zwei Stunden später komplett erschöpft, aber extrem glücklich und voller Erdophine mein erstes Ziel. Ich habe das Gefühl so vermisst. Den Körper bis in jede Faser spüren, Natur, Stille, Gedanken nur ich und mein Bike. Unterwegs grüßten mich entgegenkommende Biker und Motorradfahrer anerkennend. Das motivierte mich.

An meiner Unterkunft, einem kleinen Gästehaus wurde ich bereits von einer netten Dame erwartet. Sie war so lieb und herzlich und zeigte mir, gleich alles, was ich wissen musste. Sie war begeistert von meiner Fitness. Das kleine Zimmer hatte ein großes Bett und ein kleines eigenes Badezimmer. Zudem war auch mein Gepäck endlich angekommen. Und obwohl es offen war, fehlte nichts. Ich war erleichtert. Dennoch ärgerte ich mich, weil ich durch meine vorsorgliche Shoppingtour nun noch mehr Sachen transportieren musste. Als ich aus der Dusche kam, klopfte es. Die nette Dame bot mir an, mich mit dem Auto zum nächsten Supermarkt zu fahren. Ich fand das so nett, auch wenn ich dort locker hätte hinlaufen können. Dankend nahm ich an. Ich kaufte jede Menge vegane Snacks. Immerhin hatte ich an die 3.000 kcal verbrannt. Da ist Portugal echt weit, sogar in der Kleinstadt findet man in den kleinen Minimercados viel Veganes vom Hummus bis zum Seitan. Ich versuche während der Tour auf gesundes Essen mit ausreichend Protein zu achten, damit ich lange satt bleibe. Ansonsten hatte aufgrund des Sonntags nicht viel auf und die kleine Stadt wirkte verschlafen. Ich schlenderte zum Hafen und machte dort ein kleines Picknick. Zu sehr viel mehr war ich ohnehin nicht mehr in der Lage. Zudem machte der Meereswind es gegen 18.00 Uhr schon merklich frisch.

Wieder in der Unterkunft angekommen, starte ich ein kleines Beautyprogramm. Immerhin hatte ich ja jetzt meine Kosmetik wieder. Außerdem musste ich meinen Sonnenbrand pflegen. Ich hatte ich zwar eingecremt, war aber wohl doch an einige Stellen nicht so gut ran gekommen. Ärgerlich.

So richtig viel Zeit für intensive Gedanken hatte ich heute nicht. Dafür war die Tour zu aufregend. Allerdings habe ich nochmal über meinen Flirt in Lissabon nachgedacht und mich ein bisschen über mich selbst geärgert. Irgendwie war der Typ doch extrem aufdringlich und wirklich sehr von sich selbst überzeugt gewesen. Er war, wie es mir so oft passiert, einfach nur von meinem Leben und meinem offenen Kinky-Livestyle angetan. Offenen Beziehung? Ah ja, da kannst du ja hier alles machen. Aber will ich das? Muss ich das? Das hier ist eine Biketour, kein Sextrip. Ich hatte eigentlich gar nicht das Bedürfnis verspürt, mit ihm zu knutschen. Es gefiel mir auch nicht. Wieso hatte ich das also nicht ganz klar kommuniziert? Schon merkwürdig, dabei bin ich sonst nicht auf den Mund gefallen. Daher habe ich mir fest vorgenommen, dass so etwas nicht noch einmal passieren wird. Wenn ich kein Interesse habe, habe ich kein Interesse, Höflichkeit hin oder her. Beim nächsten Mal werde ich deutlicher für meine Bedürfnisse oder eben Nicht-Bedürfnisse einstehen. Denn so wie es war, hat es sich einfach nur echt komisch angefühlt.

Und so geht mein erster Tag der Portugal Tour zu Ende. Schon jetzt freue ich mich auf fünf weitere Etappen, die dann gern ein bisschen weniger herausfordernd sein dürfen.

Bilanz:
Strecke: 91,1 km
Dauer: 5:19 h
Kalorien: 2.700
Höhenmeter: 760
Pannen: keine

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