Biketour 2021 Part III

Der dritte Tag meiner Biketour war bisher der anstrengendste in jeglicher Hinsicht. Er war aber auch irgendwie ein kleines Highlight. Ich hatte in der Nacht von Dienstag zu Mittwoch auf meinem Hotelzimmer noch einen kleinen Nervenzusammenbruch. Ich sag es mal so: mein inneres Kind war besoffen. Es hatte definitiv zu viel Ouzo. Und so wurde aus einer Mücke ein Elefant und im Hotel saß eine sehr, sehr verzweifelte Elli heulend auf dem Boden.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch den anderen Hotelgästen auf dem Gang dieses lautstarke Theater nicht entgangen ist. Und so schlurfte ich mit eingezogenem Kopf durch den Frühstücksraum und versuchte, möglichst schnell und unauffällig mein Frühstück zu mir zu nehmen.
Die Nacht hing mir in den Knochen. Ich hatte dann zwar recht viel geschlafen, aber meine Gedanken drehten sich die ganze Zeit um diesen furchtbaren Moment. Was war nur los gewesen? Insgeheim wusste ich es eigentlich auch schon…

Wie erwähnt, war diese Etappe sehr anstrengend. Ich hatte mir 100km für den Tag vorgenommen. Dieser Herausforderung wollte ich mich unbedingt stellen. Die ersten Kilometer gingen echt gut, doch dann kamen mehr und mehr Berge. Ja, Berge in Mecklenburg-Vorpommern, wo immer steht „überwiegend fach“ Also das habe ich irgendwann nicht mehr eingesehen. Zudem krampften meine Waden die ganze Zeit. Was sollte das nur werden? Ein kurzer Stopp und etwas Magnesium halfen dann erst einmal. Weiter gings. Ich war eigentlich doch ganz gut drauf. Als ich plötzlich im Bruchteil einer Sekunde etwas keines, schwarzes auf dem Weg sah. Ich fuhr genau drüber und hatte schon so ein richtig blödes Gefühl. Auf den nächsten Metern merkte ich dann schon, wie das Vorderrad instabil wurde. Verdammt, das konnte nicht wahr sein. In meinem Kopf spielte ich jegliches Szenario durch. Der nächste Ort war noch gute 15km entfernt. Aber es war ein größerer Ort. Ich konnte, dort in den Zug steigen. Ich konnte dort meinen Schlauch tauschen lassen, ich konnte dies hier sofort selbst tun. Ich pumpte kurz mit meiner kleinen Luftpumpe, um festzustellen, ob es wirklich ein Loch war. War es. In Anbetracht dieser mickrigen Pumpe fiel selbst reparieren schon mal aus. Ich fragte Google und fand eine Fahrradwerkstadt. Diese 20 Minuten dorthin mit schwindender Luft waren wohl die längsten auf der ganzen Tour. Als ich ankam, traf ich auf einen sehr netten Besitzer des Fahrradladens, der versprach, sich direkt um mein Bike zu kümmern. Ich war erleichtert. Vielleicht konnte ich doch noch weiter fahren.
Ich schlenderte derweil du den Ort. Ich merkte, diese ersten 60 km hatten mich ganz schön ausgelaugt. Ich brauchte Energie. Also versorgte ich mich mit Wasser und ein paar Snacks. Nach einer guten Stunde war mein Bike wieder einsatzbereit. Danke! Es konnte weitergehen. Ich war motiviert, immerhin sollten die letzten 40km in zwei Stunden hinter mir liegen. Zum Glück war ich so motiviert, es ging nämlich bergig weiter. Ich fluchte schon innerlich ein bisschen, weil ich langsam wirklich am Rande meiner Kräfte war. Aber das immer näher kommende Ziel ließ mich weiter fahren.

Ich fing an, mich etwas abzulenken von meinen brennenden Oberschenkeln, indem ich eine Unterhaltung mit meinem inneren Kind startete. Ich hatte es wirklich vernachlässigt in der letzten Zeit. Aber plötzlich sprudelten die Worte nur so aus mir heraus. Es war, als hätten sie nur darauf gewartet. Wir gingen gemeinsam den Tag durch. Und ich stellte fest, es hatte sich mal wieder bewahrheitet, dass ich mich aus jeglichen Situationen komplett und ganz ohne fremde Hilfe befreien kann. Bzw. wie in diesem Fall half mir der nette Fahrradladen. Aber dennoch. Andere hätten womöglich aufgegeben. Ich passte meinen Plan an und machte weiter, ich zog es durch. Und von diesem Vertrauen getrieben, startete ich danach auch gleich noch eine imaginäre Unterhaltung mit meiner Familie. Und da kam einiges zusammen. Ich schilderte verschiedene Situationen meines Lebens, die ich in den letzten 5 Jahren durchgemacht habe. Situationen, Begebenheiten und Beziehungen, von denen meine Familie kaum etwas ahnt. Die aber ganz essenziell für mich waren und sind. Es tat so gut, das auszusprechen. Und es tat vor allem gut, daraus für mich mal eindeutige Schlüsse zu ziehen. Nämlich, dass ich erwachsen bin und dass ich es okay finde, dass sie vielleicht weniger Interesse oder womöglich auch Verständnis für dieses Leben haben, was ich führe. Damit kann ich vollkommen super leben. Es ist ja mein Leben und ich liebe es. Aber dann möchte ich auch nicht ständig gefragt werden, wann ich denn mal wieder nach Hause komme in ein zu Haus, welches schon lange nicht mehr ein zu Hause ist für mich. Ich schreibe das hier nicht aus Frust, oder weil ich irgendwen anklagen will. Ich bin damit fein. Ich habe diese Gedanken lange genug. Ich möchte sie nur endlich aussprechen.

Und als ich das alles formuliert und ausgesprochen hatte, fiel mir ein fetter Stein vom Herzen. Ich merkte, da hatte sich was gelöst. Ich stand mitten auf einem Berg und musste weinen, es tat so unglaublich gut.
Genau das wollte ich, dass es passiert auf dieser Tour. Ich weinte, es war wundervoll. Mir fielen für den Moment 1000 Steine vom Herzen. Meine Connection zu mir selbst war gar nicht verloren, das war alles die ganze Zeit da. Es war eben nur versteckt unter einer ganzen Menge Alltagsballast.

2 Gedanken zu “Biketour 2021 Part III

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