Ich habe es endlich geschafft nach mehr als zehn Monaten habe ich Berlin endlich mal wieder verlassen. Diese Mini-Auszeit war auch dringend nötig. Die Trennung, das ganze Pandemie-Chaos, die Arbeit, es wurde einfach alles ein bisschen viel. Die Akkus waren leer. Das merkte ich vor allem auch an meinem gesteigerten Alkoholkonsum. Also einmal raus und alles auf Reset.
Diese Woche hatte ich ohnehin kaum etwas geschafft. Dank Geburtstag, Covid-Impfung, Impfkater, Feiertag….
Das Wetter sollte zwar eher mäßig werden, aber bei schönem Wetter kann ja jeder. Ich packte also mal wieder die Fahrradtasche und stieg am Freitagmorgen kurz vor sieben in den Zug nach Wismar. Die Fahrt verging wie im Flug. Ein bisschen bloggen, bisschen arbeiten und zack war ich in der schönen Hansestadt. Als ich im letzten Sommer dort war, präsentierte sich diese mir (trotz Pandemie) noch von ihrer schillerndsten Seite. Diesmal war Wismar grau und ausgestorben. Es nieselte, es war kalt. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Die ersten paar Kilometer waren dennoch schön, befreiend und ließen sich gut fahren. Es wurde aber immer nebliger, man konnte kaum 100 Meter weit schauen. Als es gegen Mittag richtig zu regnen begann, war meine Stimmung schon weniger gut. Ich erreichte über teilweise nicht vorhandene Radwege am frühen Nachmittag endlich die Küste in Kühlungsborn. Traurig sah es dort aus. Die Stände mit den Fischbrötchen warteten auf hungrige Gäste. Aber außer ein paar Motorradfahrern und einigen Einheimischen, war echt niemand dort. Zum Verweilen war mir auch ehrlich gesagt gar nicht zumute. Ich trank rasch den heißen Sanddorn und machte mich wieder auf den Weg, bevor ich durch die klammen Sachen – eine Mischung aus Regen und Schweiß – noch kalt wurde. Meine Stimmung hing am seidenen Faden. Ich genoss die Tour ohne Frage, ich hatte sogar Rückenwind. Aber dieser Regen, die ständig laufende Nase, die beschlagene Brille, das Handy, was ich kaum noch bedienen konnte vor Nässe und vor allem deshalb, weil meine Hände schon taub waren.
Aber irgendwie spornte mich dieser „ganze Scheiß“ auch ganz schön an. Außerdem hatte ich mir das ja selbst ausgesucht. Und Schwierigkeiten geben mir Kraft. Das ist nicht nur im Business so, das ist eben auch bei so einer Tour so. Ich wachse plötzlich über mich hinaus. Die letzten Kilometer vor Rostock klarte es dann tatsächlich auf. Ich trat ordentlich in die Pedale, um dann doch endlich anzukommen. Am Ende war ich knappe fünf Stunden unterwegs gewesen und hatte beinahe 80 Kilometer zurückgelegt, ohne Pause, ohne Toilette. Das merkte ich allerdings erst, als ich meinem Freund in Rostock (nach Negativ-Test) endlich in die Arme fiel. Wie lange war das her. Es war schön!
Nachdem ich frisch geduscht war, machten wir uns an den Einkauf. Drinks mussten her. Zudem Schoki und Knabberzeug. Nach der Tour hatte ich mir Schlemmen verdient. Wir kochten später Gemüsepfanne mit Erdnusssoße. Und dann gab es Bier und später diverse Gin-Tonic. Dabei schauten wir endlos Musikvideos auf YouTube, sowie witzige Serien bei Netflix und laberten wie immer über Gott und die Welt. Es war schön, endlich wieder in Ruhe Zeit zu haben für sämtliche Themen. Wenn man telefoniert, kommt da doch einiges zu kurz. Vor allem das Rumblödeln und die richtig tiefgründigen Themen. Beides wichtig! Dabei ging es vor allem und Beziehungen zwischen Männern und Frauen. Irgendwie hat mein Freund auch den Hang zum Komplizierten. Frauen, die voll locker drauf sein wollen und dann aber doch irgendwie einen Stock im Arsch haben. Ich kann mich darüber ja schön aufregen. Zudem konnte ich meine Sammlung fortsetzen, was ICH will.
Ansonsten gab es natürlich auch noch ein bisschen Sex… ein bisschen ausführlichen Sex. Auch das genoss ich sehr. Es war zu lange her, in jeglicher Hinsicht.
Samstag machten wir uns nach ausgiebigem Frühstück mit den Rädern auf den Weg nach Warnemünde, wo wir ein wenig am Strand spazieren gingen. Der eigentliche Plan war aber tatsächlich, baden zu gehen. Als ich zunächst mit dem Fuß die Wassertemperatur testete, wollte ich eigentlich schon einen Rückzieher machen. Dann dachte ich aber, dass das so gar nicht meine Art wäre. Also Klamotten runter und rein da. Und tatsächlich war es überhaupt nicht so kalt, wie gedacht. Wir waren sogar zweimal drin. Als danach noch in der Sonne saßen, kam es uns kurz doch ein bisschen wie Sommer vor. Leider wurde es dann doch wieder schnell frisch. Also zogen wir uns wieder winterlich warm an und besorgten uns an der Promenade noch ein Radler und schlenderten dann gemütlich zurück, um loszufahren, bevor der angekündigte Regen kommen sollte. Der Regen kam dann nicht mehr. Dafür war die Heimfahrt sehr philosophisch, was unsere Themen anging. Aber es macht mit ihm wirklich auch Spaß, über sowas zu reden. Vor allem finde ich es angenehmen, wenn man mal auf Augenhöhe und mit halbwegs gleicher Intention diskutiert. Ich finde, das ist auch eine gute Möglichkeit, zu reflektieren und den eigenen Horizont zu erweitern. SO diskutierten wir darüber, wie unsere Gesellschaft tickt. Im Grunde funktioniert immer alles so lange gut, bis einer anfängt aus der Reihe zu tanzen, dann gibt es ganz schnell Nachahmer und das System gerät ins Wanken. Dann wiederum muss es Konsequenzen geben und dann regen sich alle darüber auf. Und das kann man – so grob runtergebrochen – auf sehr viele Bereiche anwenden.
Und zum Thema Frauen mit Stock im Arsch: Mein Freund ist wirklich eine liebe Seele, der tut alles für Menschen, die er liebt und das ohne etwas dafür zu verlangen. Vielleicht manchmal ein wenig zu lieb. Und irgendwie scheinen die Weiber das nicht zu schätzen zu wissen. Wir haben dann gesagt, er müsste einfach mal bewusst Arschloch sein. Ist natürlich auch eine krasse Maßnahme, aber so gedanklich als Experiment fände ich das mal spannend.
Bevor es nach Hause ging, besorgten wir noch alle Zutaten für Mojitos. Wir wollten uns nochmal richtig was gönnen. Der Magen hing uns auch schon in den Kniekehlen, also orderten wir kurzerhand zwei Pizzen, die wirklich extrem lecker waren. Was folgte, war das übliche: Trinken, lachen, Musik angucken. Das kann ich so mit keinem anderen. Aber da haben 20 Jahre Vertrauensaufbau wohl gut vorgearbeitet. Kurz vor Mitternacht machten wir uns dann noch geile, knusprige Curly-Fries mit Erdnusssoße. Geilo! Wer mich kennt weiß, dass sowas bei mir absolute Ausnahmen sind. Insofern: Gönnung pur.
Nach dem Ausschlafen am Sonntag überkam mich ein bisschen schlechte Laune bzw. Wehmut. Ich wollte eigentlich ungern zurück nach Berlin. Allerdings hatte ich nicht wirklich eine Wahl. Der eigentliche Plan, gemeinsam zurück nach Wismar zu fahren, fiel buchstäblich ins Wasser. Und dafür war die Strecke dann auch irgendwie nicht schön genug gewesen. Also wollten wir lieber ausführlich brunchen und ein bisschen in den Tag hinein gammeln. Und ehe wir uns versahen, war es schon Nachmittag und der Abschied nahte. Ich radelte mit breitem grinsen zum Rostocker Bahnhof. Das hatte mir gutgetan und sicherlich würde ich positiv in die neue Woche starten können.
Und Muskelkater vom vielen Lachen hatte ich auch. 😀