Ich hatte mich zum Glück schon einige Wochen vor Weihnachten dafür entschieden, dieses Jahr einfach in Berlin zu bleiben und damit all dem Stress und all den kruden Beschränkungen aus dem Weg zu gehen. Zunächst hatte ich Angst vor der Entscheidung, aber ich war auch mutig. Ich spürte, es würde richtig sein. Und ich wurde tatsächlich nicht enttäuscht.
Corona war nur einer von mehreren Gründen, weshalb ich mich einfach nur nach Ruhe und Zeit für mich sehnte. Im Endeffekt war ich sehr froh, dass ich mich schon früh entschieden hatte. Hätte ich damit gerechnet, nach Hause fahen zu können, dann wäre ich vermutlich sehr enttäuscht gewesen, als am Ende tatsächlich der zweite harte Lockdown kam. Meine Familie wohnt im Risikogebiet. Spätestens da war für mich klar, dass ich das nicht auf mich nehmen werde.
So blieb mir ausreichend Zeit, zu überlegen wie mein erstes ganz eigenes Weihnachten aussehen sollte. Ich wollte endlich mal was anders machen und nicht kopieren, was ich seit 30 Jahren kenne. Mit T hatte ich augemacht, dass er am heiligen Abend zu mir kommt. Da auch er seine Familie nicht besuchte, verabredeten wir uns am späten Nachmittag zum Essen. Ich holte zuvor beim Libanesen eine große Veggie-Platte. Nach Kochen war mir nicht und ich wollte meine Locals ja auch weiterhin supporten. T kam mit einiger Verspätung, aber ich beschloss, mir davon nicht die Stimmung versauen zu lassen. Beim Tischdecken hatte ich mir viel Mühe gegeben.
Den ersten Teil des Tages hatte ich mit Sport und meinem neuen Malen-nach-Zahlen verbracht, welches meine Cousine mit geschenkt hatte und was mich total süchtig machte.
Zum Essen schauten wir ein bisschen ins Weihnachtsprogramm im TV. Als wir pappsatt waren, beschlossen wir, etwas zu spielen. Danach lief wieder ein Film. Im Fernsehen zeigten sie einen Bud Spencer und Trence Hill Film nach dem anderen. So hangelten wir uns durch den Abend, bis wir irgendwann gegen 2 Uhr nachts ins Bett fielen. Den ersten Feiertag begann ich mit einer Runde im Park und holte auf dem Rückweg frische Brötchen vom Bäcker.
Nach dem ausgiebigen Frühstück widmeten wir uns dann unserem eigentlichen Projekt: Genitalabdrücke aus Gips. Dazu hatten wir uns extra Abdruck-Sets bestellt. Meiner klappte erstaunlich gut, auch wenn die ganze Angelegenheit eine echte Schweinerei war. Bei T scheiterten wir leider. Das ist für Männer eben schon eine echte Herausforderung.
Am Nachmittag packte mich wieder die Lust, an meinem Bild weiter zu malen. Im TV lief Star Wars. Irgendwie war das mein Lieblingmoment. Wir waren zwar zusammen, konnten uns aber auch getrennt beschäftigen, ohne Stress, Druck oder Erwartungen auf Action. Abschließend drehten wir noch eine Runde durch die Nachbarschaft und suchten Berlins schlimmste Weihnachtsbeleuchtung.
Als ich allein in meine Wohnung zurück kehrte, ging es mir gut. Dass ich wieder allein war, war komplett okay.
Am zweiten feiertag stand Pizzabacken auf dem Plan. Irgendwie hatte ich die spontane Idee. Außerdem wollte ich an dem Tag mal rausfahren und ein bisschen wandern gehen. Die Pizza war der perfekte Proviant. Der Tag war traumhaft. Auf der Autobahn begann es leicht zu schneien. Ich wanderte durch einen Buchenwald und kam an einen wunderschönene See. Unterwegs traf ich lediglich eine handvoll Spaziergänger. Die Ruhe war wundervoll. Im Auto sang ich lauthals Weihnachtslieder und fühlte mich einfach nur gut, als ich mit Blick auf den Sonnenuntergang zurück nach Berlin fuhr.
Bei einem heißen Bad wärmte ich mich wieder auf.
Abends lief meist der Fernseher. Ich bin normalerweiser eher der Serien-Typ, aber einige gute Filme gab es tatsächlich zu sehen.
Und zu guter letzt war da noch der Sonntag. Nach meinem (wie immer) ausgiebigen Sportprogramm bestellte ich einen riesigen Haufen japanische Tapas in meinem Lieblingsladen, welche ich dann zu Fuß abholte. Diese genoss ich dann ausgiebig, wärend ich mir ein Konzert meiner Lieblingsband online ansah. Am Ende tanzte ich ausgelassen im Wohnzimmer. Das war so gut.
Und als wäre das Wochenende noch nicht schön genug gewesen, bekam ich auch noch spontan Besuch… und naja… ich muss wohl nicht erwähnen, worauf das hinaus lief. Ein krönender, wundervoller Abschluss meines ersten Elli-Weihnachten.
Ich gestehe, ich habe mit allem gerechnet, vor allem aber mit Einsamkeit und vielen Emotionen. Tatsächlich habe ich mich fast ausschließlich sehr frei, entspannt und zufrieden gefühlt. Es gab hier und da Dinge, über die ich mich geärgert habe. Das waren aber hauptsächlich Sachen, an die ich viel zu hohe Erwartungen hatte, wenn auch nur unterbewusst. So fühlte ich mich irgendwie nicht genug vermisst. Mit meiner Familie redete ich kaum in den Tagen. Andererseits vermisste ich auch nicht wirklich etwas an diesem Weihnachtsfest. Wieso dann also das von anderen erwarten? Und dass sich die Menschen wenig melden, heißt im Endeffekt auch nur, dass sie gerade da wo sie sind, eine gute Zeit haben.
Aus jetziger Sicht: eines der schönsten und entspanntesten Weihnachten bisher.
Es hat mir defnitiv sehr gut getan.