Nun lautet mein Beziehungsstatus seit mittlerweile drei Wochen „In einer offenen Beziehung“. Seit einer Woche sind wir sogar Facebook-official. Als ob das etwas ändern würde…aber gut.
Offiziell zusammen sein bedeutet aber in keiner Weise, dass die emotionale Achterbahnfahrt damit ein Ende hat. Ich persönlich kämpfe fast jeden Tag mit Fluchtgedanken. Sowohl emotional als auch physisch. Es ist total verrückt.
Manchmal ist es extrem irrational, manchmal erschreckend rational. In der einen Sekunde vertraue ich ihm nicht. Ich denke, dass ich mir seiner Gefühle vielleicht nie wirklich sicher sein kann. Was ist, wenn er morgen aufwacht und feststellt, dass er mich doch nicht so doll liebt, wie der dachte. Vielleicht ist er ja nur in den Gedanken verliebt, mich zu lieben?!
Im nächsten Moment zweifle ich an mir selbst und habe ein schlechtes Gewissen, weil ich befürchte, ich könnte ihn nicht so sehr zurück lieben, wie er mich liebt. Dass meine Gefühle nicht real sind und ich mir all das nur einbilde oder denke, es fühle zu müssen, weil er mich liebt…
Ist das nicht total verrückt? Das Ding ist, das sind keine spontanen Hirngespinste, diese Ängste habe ich wirklich. Das passiert alles tatsächlich in mir.
Dann habe ich diese schlimmen Momente, wo ich nach Luft ringe, weil es sich anfühlt, als würde mir jemand mit aller Kraft die Kehle zudrücken. Dann will ich nur weg, meine Augen vor allem verschließen, weg sein, nicht mehr existieren und mir keine Gedanken mehr machen müssen. Ja, so schlimm ist das. Das ist die harte Realität von bindungsphobischen Menschen. Es ist ein verdammtes Auf und Ab, was ich kaum kontrollieren kann. Es hängt stark von meiner Stimmung ab, teilweise auch von den Hormonen. Dann hängt es zugleich auch von ihm ab. Wieviel Aufmerksamkeit bekomme ich, kann ich ihn gerade leiden oder nicht und wieso… Manchmal ist es wie eine Spiegel-Wirklichkeit. Liebt er mich und zeigt es mir, liebe ich ihn und umgedreht.
Zu meiner eigenen wankelmütigen Unsicherheit kommt dann seine auch noch hinzu. Ich finde es super, dass er mich ganz ehrlich daran teilhaben lässt, wenn er selbst unsicher wird. Aber es hilft mir verdammt noch einmal nicht. Es macht mich panisch. Jedes Mal setzt mein Herz einen Schlag aus, nur um im nächsten Moment doppelt so schnell zu schlagen.
Es gibt eben nunmal keine dauerhafte Wolke 7. Und sobald man kurz aus dem siebten Himmel herunter kommt, ist sie da, die grausame Realität, in der alles schwierig, anstrengend und kompliziert ist.
Es ist wie eine Art „tease und denial“, was ja eher eine sexuelle Spielart ist. Man ködert sich gegenseitig, man ist sich nah, solange, bis man es nicht mehr aushält und dann zieht man sich wieder zurück. Und dann beginnt man alles von vorn.
Beim Sex liebe ich dieses Spiel. In der Realität bringt es mich innerlich um (den Verstand).
Im Moment habe ich absolut überhaupt keine Ahnung, was ich fühle. Ich fühle mich leer. Corona hat auch ihn in eine jobmäßig ungünstige Situation gebracht. Das hat zur Folge, dass er aktuell angespannt und eingespannt ist. Ich bekomme weniger Aufmerksamkeit. In einem Anflug von Trotz habe ich schon darüber nachgedacht, eine Szene zu machen. Aber mit welchem Ergebnis? Ruhig bleiben durchatmen, mich um meine eigenen Baustellen kümmern.
Zum einen ist es sein gutes Recht, sich jetzt hauptsächlich um seinen Job zu kümmern. Immerhin muss er auch weiter seine Brötchen verdienen. Anderseits weiß ich doch, dass ich absolut NICHT von seiner Aufmerksamkeit abhängig bin. Das weiß ich doch!
Aber ich vermisse ihn.
Und während ich über all das nachdenke, ist er ohne dass ich es merke schon wieder dabei, zu mir zurück zu rudern.
Tatsächlich stand er ziemlich unter Strom. Er ist wie ich ein Macher. Rumsitzen und abwarten ist nicht so seins. Deswegen kamen auch nur sporadisch Nachrichten. Und mal ehrlich, was erwarte ich denn? Halbherzige Aufmerksamkeit? Und ich finde es ja super, dass er so engagiert ist.
Umso mehr freute ich mich über eine ausführliche Nachricht und über die Erleichterung, dass er selbst darauf kam, mal wieder etwas runterzufahren und über Vorschläge für das kommende Wochenende. Und so schnell war Elli auch wieder happy und weniger unsicher.
Ich glaube, bei der Thematik hängt mir meine Ehe immernoch nach. Hier gab es diese Sicherheit nicht. Nach jeder Krise und jedem komischen Moment musste ich Angst haben, dass er hinterher womöglich nicht mehr da wäre. Die aktuelle Situation mit MK hat mir gezeigt, dass dem nicht so ist. Ich habe gelernt: er ist immer noch da! Ja wirklich. Unglaublich aber wahr. Und irgendwie ist es traurig, dass er sich dieses Vertrauen erst erarbeiten musste.
Außerdem bin ich froh, dass ich ruhig geblieben und kein Fass aufgemacht habe. Das hätte vermutlich am Ende sogar echte Distanz verursacht. Ist es komisch, wenn ich bei soetwas stolz auf mich bin? Das ist irgendwie neu und jeder „normale Mensch“ denkt sich vielleicht, dass das doch nichts besonderes ist. Für mich schon! Für mich ist es eben nicht selbstverständlich, dass man Freiräume nimmt und gibt und dass dies nicht bedeutet, dass man sich entzweit oder der Partner einem weniger wichtig ist.
Und wie bereits angedeutet ist mir ein bisschen zeitweilige Distanz dann doch lieber, als seine Aufmerksamkeit teilen zu müssen, denn das ist etwas, was ich wirklich nicht leiden kann. Und so bleibt mir die Vorfreude auf das Wochenende, an dem ich mir dann die ungeteilte Aufmerksamkeit gerne einmal einfordern werde.
Tja, es ist eben alles ein Prozess. Und mit Sicherheit wird es noch viele Momente der Nähe und ebenso viwele der Diostanz geben. Aber jeder einzelne wird uns ein bisschen sicherer machen.