FantaC Vol. III: Alleinsein – Selfcare – Detox

In meinem letzten Beitrag habe ich über die vielen Möglichkeiten gesprochen, die wir aktuell haben bzw. die sich aktuell neu ergeben und entstehen. Und doch ist es nur ein Bruchteil der Möglichkeiten, die wir nochmalerweise hätten. Irgendwie fühlt es sich an, als bestünde der Tag insgesamt viel mehr aus Zeitvertreib. Um die Zeit zu überstehen und das möglichst schnell und unbeschadet. Ich bin zum Großteil mit mir allein zusammen. Ich habe zwar noch ein Büro, in welches ich gehen kann. Hier sitze ich allerdings auch allein, aber immerhin trifft man mal jemanden auf dem Gang, oder es kommt jemand vorbei. Natürlich achten auch hier alle strengstens auf die aktuellen Vorschriften.
Aber allein, dass ich morgens aufstehen, mich zurecht machen und die wenigsten 100 Meter zum Büro laufen kann, gibt mir das Gefühl, nicht vollkommen isoliert zu sein. Auf dem Heimweg laufe ich meist noch eine große Runde, bis ich mich wieder in meiner Wohnung verkrieche, die gerade so ziemlich alles ist: Wohnzimmer, Fitness-Studio, Restaurant, Kino, Schlafhöhle, Bar, Sextraumlounge…. eben meine persönliche Schaltzentrale.

Und so bin ich als Single schon verdammt einsam. Natürlich ist es nicht ganz verboten, Menschen zu treffen, aber selbstverständlich respektiere ich die Vorschriften und dosiere diesen Kontakt auf das Nötigste. Denn natürlich ist das für Leute wie mich, wie mit sexuell übertragbaren Krankheiten. Menschen in Poly-Beziehungen sind eben auch definitiv anfälliger, was unsere aktuelle Situation angeht. Insofern lasse ich das mal im Raum stehen, ob es denn nun gerade Fluch oder Segen ist, in einer Beziehung zu sein oder nicht.

Wie komme ich nun auf das heutige Thema? Wir sind also mehr allein im Moment. Für manche ist das nicht weiter dramatisch, manche sind gerne oft und lange allein. Ich habe es echt schon gehört, dass Leute sagen, für sie ändert sich aktuell gar nicht so viel.
Für mich ist es eine Herausforderung und ich schätze, für viele andere auch. Aber ich wäre nicht ich, wenn ich diese Herausforderung nicht annehmen würde. Denn gerade ist es ja keine Frage des Wollens, ob man etwas unternimmt, sondern es geht eben einfach mal nicht. Also nutze ich die Zeit ein bisschen als eine Art Party-Detox. Vielleicht hilft es mir, meinen eigenen Rhythmus wieder zu finden. Heißt Schlafen, Essen, Leben wieder in ein normales Gleichgewicht zurück zu führen. Andererseits, ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass ich nach 4-5 Wochen Isolation dem Party-Leben abschwören werde. Aber Pause ist auf jeden Fall mal gut. Zum anderen wird sich auch zeigen, wie sich meine Sozialkontakte in der Zeit entwickeln. Denn gerade bei Beziehungen, die zu einem guten Teil auf körperlichen Dingen basieren, wird es schwierig, das die ganze Zeit aufrecht und vor allem spannend zu erhalten. Aber dazu an anderer Stelle mehr.

Vielleicht geht es anderen ja auch so. Man ist gezwungen zu einer Pause, zum Innehalten, zum Ausruhen und Auftanken. Vielleicht genau das, was viele von uns seit Langem einmal gebraucht haben. Vielleicht sagt die Welt gerade zu einem Teil von uns: schalt doch mal einen Gang runter. Wobei wir dann wieder beim Thema Ungerechtigkeit wären. Aber das bekommen wir wohl nie wirklich hin.
Nicht mehr 1 Mio. Optionen zu haben, sondern nur noch 10 oder 20 – das ist neu! Und einfach auch mal ganz ohne schlechtes Gewissen zu Hause zu bleiben. Für mich und viele Menschen in meinem Umfeld kaum vorstellbar. Ich glaube, dieses Problem der Unruhe und Rastlosigkeit kennt man nirgendwo so gut wie in Berlin. Man hat das Gefühl, ständig überall sein zu müssen, weil man sonst etwas verpasst. Dass das aktuell nicht so ist, entspannt mich wirklich sehr, wie ich gerade merke. Und ich hoffe ehrlich gesagt für meine und die berufliche Zukunft von vielen, dass wir in dem Bereich unseres Lebens zukünftig nicht mehr immer überall sein müssen, sondern uns viel mehr die Überallverfügbarkeit zu nutze machen. Was das Private angeht, so werde ich nach der Krise wohl noch einmal Bilanz ziehen und schauen, welche Konsequenzen diese Phase für mich haben wird.

Ich denke, diese kleine Zwangpause hilft auch, sich und sein Leben insgesamt für einen Moment zu entschleunigen. Dadurch, dass wir kaum noch irgendwo hin können/müssen, sparen wir Zeit. Diese Zeit können wir entweder für andere Dinge nutzen, oder wir lassen uns einfach mal ein bisschen mehr Zeit für alles. Ich genieße es zum Beispiel seit dieser Woche nach dem Sport am Morgen noch meinen Kaffee in Ruhe zu trinken, bevor ich das Haus verlasse. Und ich liebe es, mir auf dem Heimweg Zeit zu lassen, frische Luft zu atmen, weil zu Hause oder sonstwo sowieso keiner auf mich wartet. Das sind die Kleinigkeiten, denen ich aktuell viel Bedeutung beimesse, die mein Leben einfach ein kleines bisschen schöner machen.

Nun bin ich, abgesehen von der aktuellen Flaute, mit meinem Job ja mehr als zufrieden. Aber vielleicht gibt es Menschen, die die Auszeit nutzen, um sich mal Gedanken zu machen, wie sinnvoll und lebenserfüllend ihr Job wirklich ist. Die Schlüsselfrage „Bin ich glücklich?“ kann sich jetzt so mancher einmal ganz in Ruhe stellen. Wir haben ja die ganzen systemrelevanten Jobs, da ist klar, die sind unverzichtbar. Aber alles andere ist irgendwie austauschbar. Vielleicht hilft die Auszeit den Menschen, die ihren Job vielleicht schon lange hassen, sich einen (neuen) Sinn im Leben zu suchen. Leute, die sich schon lange unwohl, unterbezahlt, unterfordert oder sonstwas fühlen. Vielleicht eröffnen sich bald neue Möglichkeiten. Vielleicht macht man am Ende etwas komplett Neues. Im Moment werden so viele Helfer und Fachpersonal gebraucht. Vielleicht führt das alles hier dazu, dass sich Leute mehr für solche systemrelevanten Berufe interessieren, um etwas Gutes zu tun, um nicht „nutzlos“ zu sein in einer solchen Krise. Und vielleicht führt es außerdem dazu, dass solche Berufe auch finanziell etwas mehr wertgeschätzt werden und so zusätzlich attrativer sind. Damit wären gleich mehrere Probleme auf einmal gelöst. Und selbst, wenn es das Ganze hier nur zu einem bisschen Umdenken und nicht nur selfcare sondern auch care für die Nächsten sorgt, sind wir schon einen guten Schritt weitergekommen.

Wie dem auch sei. Ich will ja nicht mehr so viel jammern. Ich will dankbar annehmen, was mir gerade geboten und verboten wird. Und ehrlich gesagt bin ich persönlich dankbar, dass wir diese Krise jetzt haben und nicht vor zwei Jahren. Dass mir die Welt noch etwas Zeit gegeben hat, etwas gefestigter und stabil genug zu sein, um eine längere Zeit mit mir allein und wenig sozialer Interaktion zu überstehen. Danke dafür!
Ansonsten darf ich mir selbst auch sagen, wie stolz ich auf mich bin. Natürlich ist einem im Moment auch mal richtig zum Heulen zumute. Aber insgesamt geht es mir doch recht gut. Ich habe unglaublich viele Ideen und ich habe Hoffnung und ich freue mich, wenn die Zeit kommt, in der ich diese Ideen umsetzen kann.

Und immer, wenn ich hier meine Gedanken zusammenfasse, merke ich, wie komplex die Themen sind, die mich und viele andere im Moment beschäftigen. Logischerweise komme ich dabei immer wieder bei mir selbst an. Aber ich glaube auch, das ist ein Prozess und zwar mein ganz persönlicher, wie ich gerade versuche mit all dem, was passiert klar zu kommen. Insofern sei es mir verziehen, wenn manche Beiträge hier etwas selbstbezogen wirken. Zum einen kann ich nicht für andere sprechen, zum anderen bin ich im Moment auch noch zu sehr mit mir selbst beschäftigt. Aber hey, darum geht es ja auch und wie es aussieht habe ich habe ja noch ein paar Wochen Zeit, mit mir ins Reine zu kommen und am Ende vielleicht auch mal andere Perspektiven einznehmen.
Ich freue mich jedenfalls immer über Gedankenaustausch an dieser Stelle.

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