…kann alles verändern.
Es war mal wieder eine von den besonders unruhigen. Schon beim Einschlafen konnte ich den Kopf nicht richtig abschalten und lag noch eine Weile grübelnd da. Wie immer wurde ich später wach, weil meine Blase drückte. Ich ging also, legte mich wieder hin und dachte, ich würde – so wie in den meisten Nächten – wieder in meinen zwar nicht erholsamen, aber immerhin recht tiefen Schlaf fallen. Denkste!
Es war eine dieser Nächte, wo das nicht ging. Ich blickte auf die Uhr: 04:21 Uhr. Super. Ich versuchte, noch etwas zu dösen, aber mein Kopf raste. Ich dachte an alles Mögliche. Ich schrieb in Gedanken meine Packliste für das Festival nächste Woche. Dabei erinnerte ich mich an viele Momente aus dem letzten Jahr, als ich den Koch kennen lernte. Ich dachte an all die schönen Dinge und Erlebnisse und malte mir aus, wie es wohl nächste Woche werden würde. Großer Fehler. Denn das machte mich nur noch wacher. Ich stand also auf und ging in die Küche, um eine zu rauchen. Als ich mich wieder ins Bett legte, war ich ruhiger. Aber die Gedanken kamen wieder und wollten mich nicht schlafen lassen. Also stand ich wieder auf, rauchte eine weitere Zigarette. Während ich auf dem Stuhl saß und durch den grauen Rauch in den Hof blickte, wo es schon hell wurde, hörte ich den Vögeln zu. Ich war totmüde und schleppte mich zurück ins Bett. Die Gedanken besiegten jedoch die Müdigkeit. Innerhalb einer Stunde hatte ich gefühlt alle meine Beziehungen noch einmal durchlebt. Die vergangenen und auch die zukünftigen. Alles Gute, alles Schlechte, die Höhen und Tiefen, die Freude und die Traurigkeit. Es nutze nichts. Ich musste aufstehen und etwas tun, obwohl mein warmes, weiches Bett so schön gemütlich war. Ich machte mir ein kleines Frühstück und widmete mich der Netflix Serie, die ich am Abend zuvor gesehen hatte. Die Ablenkung tat gut. Aber es war auch wieder nur ein Ersticken von all dem, was ich gerade nicht in meinem Kopf haben wollte.
Zwei Dinge, die mich sogar schon im Traum heimsuchten, beschäftigen mich gerade sehr. Zum einen denke ich wieder oft an meine Freundin, die mir im letzten Jahr nach der Trennung Zuflucht gewährte. Zwischen uns herrscht immer noch Funkstille. Und manchal zerreißt es mich, weil ich dafür keine Erklärung finde und weil ich sie vermisse.
Funkstille herrscht gerade auch auf der Leitung mit dem Wolf. Die letzte Nachricht, die ich erhalten habe, kam an meinem Geburstag. Und jetzt erscheint es mir, als wäre es nur die Erfüllung einer Pflicht gewesen, mir in der Nacht noch kurz bevor der nächste Tag eingeläutet wurde, eilig ein paar nette Worte per WhatsApp zu schicken. Es war zuvor schon angespannt und lange nicht mehr so leidenschaftlich, innig, vertraut und sexy wie noch vor einem Jahr. Aber Dinge verändern sich, Menschen verändern sich, das ist okay. Ich hatte immer noch Hoffnung, wir würden irgendwann dahin zurück, oder gar auf eine neue Ebene finden. Auf meine erste Nachricht bezüglich meiner Unsicherheit, in der ich den Wunsch nach einem Treffen und klärendem Gespräch äußerte, kam keine Reaktion, also entschied ich mich für eine zweite, letzte, in der ich deutlicher wurde. Auch die blieb bisher ungelesen. Ich weiß nicht, was passiert ist, oder was ich womöglich getan habe, aber es tut mir unglaublich weh. Vor allem, weil ich nie dachte, dass er ein Mensch sei, der sich einfach nicht mehr meldet, mich ignoriert…nach allem, was wir hatten und nachdem wir uns geschworen haben, dass es bleiben soll, dass wir trotz allem da bleiben. Vermutlich sollte ich das in Zukunft lassen. Aber es bleibt die Hoffnung, dass es dafür einen wirklich wichtigen Grund gibt und sich das irgendwann noch aufklärt. Ich weiß, dass mein Lebenstil und Entscheidungen, die ich im letzten Jahr getroffen habe, nicht ganz unschuldig sind und ich ihn auf jeden Fall auch vor den Kopf gestoßen habe. Aber eigentlich waren wir vor ein paar Wochen schon beim Thema „Neustart“. Den gab es dann leider nie. Habe ich mich in ihm getäuscht?
„What if“, die neue Netflix Serie, die ich gerade sehe, zieht mich ganz schön in ihren Bann. Ich will hier gar nicht spoilern, aber eine Szene, die ich an dem Morgen gesehen habe, hat mich extrem getriggert. Nachdem es zwischen den Protagonisten, einem vermeintlich perfekten Ehepaar, einige dramatische Verwicklungen gab, treffen sie in der gemeinsamen Wohnung wieder aufeinander. Sie ist erschöpft und in Tränen aufgelöst und sie bittet ihn um eine Nacht, in der sie alles vergessen kann und in der alles wieder so ist wie früher.
Diese leidenschaftliche Szene hat mich an so viele Nächte erinnert, in denen ich mir das gewünscht habe. Alles sollte in Ordnung sein, kein Drama, keine Scherben. Natürlich war mir bewusst, dass kein anderer Mann die Lücke schließen konnte, die mein Ex-Mann damals hinterlassen hatte. Und auch mit ihm gab es besagte Nacht. Es war am Anfang der Trennung, als ich gerade meine Sachen packte, um die gemeinsame Wohnung zunächst auf Zeit zu verlassen. Sonntagabend, ich war an dem Wochenende bei meinen Eltern gewesen, wir diskutierten wieder, kamen nicht auf einen Nenner. Es ging sogar um T und die furchtbare Eifersucht meines Ex, der sauer war, weil wir wieder Kontakt hatten. Und Sex war das Letzte, was ich an diesem Abend erwartet hätte. Aber wir taten es, die Leidenschaft überkam uns und es war überwältigend. Überwältigend waren am Ende auch die bitteren Tränen der Verzweiflung. Weil ich feststellen musste, dass Sex keine Probleme löst und schon gar nichts ungeschehen machen kann. Eigentlich hätte ich daraus lernen sollen.*
Mittlerweile konnte ich die Lücke selbst schließen. Im Sinne von, ich bin mir selbst genug und brauche keinen Mann als Ersatz für irgendwas. Manchmal ist mir Selbstbefriedigung sogar lieber.
Aber was will ich denn eigentlich?
Ich will immer viel zu schnell, viel zu viel. Ich dachte: Zack, Scheidung hinter mir, kurz durchatmen, weiter gehts. Falsch gedacht, Elli. Wie so oft.
Ich versuche, mich schon wieder in Dates zu stürzen, mein Terminkalender quillt fast über. Aber warum? Weil ich denke, ich erfülle die Quote schon seit Wochen nicht? Und wen interessierts? Keiner will Mitleidsficks. Ich auch nicht.
Keiner kontrolliert die Bücher und erhebt mahnend den Zeigefinger, wenn ein paar Wochen Eiszeit herrscht.
Ehrlich zu mir selbst zu sein, fand ich noch nie so leicht. Aber wenn ich das mal alltäglich etablieren würde, würde ich vermutlich auch kein schlechtes Gewissen mehr haben, wenn ich im Anflug von kurzer Euphorie und Erfüllungsdruck mal wieder um ein Date gebeten habe, das ich eigentlich gar nicht will. Ja, das letzte Jahr war geil und wild. Und? Eine wunderschöne Erfahrung, ich will davon nichts missen. Aber keiner macht mich einen Kopf kürzer, wenn ich grad einfach etwas mehr Ruhe brauche.
Das war jetzt ganz schön viel und vielleicht auch härter zu mir selbst, als gewollt, aber nötig und mein Kopf fühlt sich zumindest ein klein wenig klarer an. Weg mit schlechtem Gewissen und Druck. Mein Leben ist aufregend genug. Und es wird auch wieder andere Phasen geben, da bin ich mir sicher. Und die werden umso schöner und genussvoller, wenn ich endlich mal ein bisschen mehr auf mich achte.
* Dazu nur eine kleine Randbemerkung: Ich könnte dieses Thema hier noch weiter spinnen. Denn damit sind wir wieder dabei, was wir (oder sagen wir die meisten) in unserer heutigen Gesellschaft für wahre Liebe halten: Leidenschaft, Anziehung, Erotik…alles unverzichtbare Faktoren dessen, was wir wahre Liebe nennen. Vielleicht fühle ich mich deswegen zeitweise so abgestumpft. Da ich weder das eine noch das andere empfinde. Sex kann so unglaublich emotionslos sein. Was nicht heißt, dass ich mich in jeden meiner Lover auch verknallen will, das habe ich am Anfang zu Genüge getan und es hat mich nur noch mehr verwirrt und vor allem vom Wesentlichen abgelenkt. Aber ich könnte versuchen, daran zu arbeiten, mehr Leidenschaft um des Sex Willen zu entwickeln. Immerhin liebe ich Sex. Vielleicht hätte ich dann im Großen und Ganzen wieder mehr Spaß daran. Ich merke nämlich, dass (nicht immer, aber oft) sich das Eis von Zeit zu Zeit bis in meinen Schoß ausbreitet. Dann ist Sex zwar gut, aber irgendwie auch nutzlos.
Ich würde mich hierzu unglaublich über ein paar Wortmeldungen freuen. Dieses Thema habe ich noch nicht zu Ende gedacht, würde mich aber gern noch einmal intensiver damit befassen.
Bei „Sex kann so unglaublich emotionslos sein“ musste ich gerade sehr lange zustimmend nicken. Und ehrlich gesagt, hatte ich diese Variante viel öfter. Das ist bei mir nämlich immer dann der Fall, wenn mein Körper zwar Lust hat, aber Hirn oder Herz nicht mitziehen: ich kann mich dann nicht entspannen, es nicht genießen und letztlich hätte ich es mir sparen können. Diese Art von Sex hab ich immer dann, wenn ich mit mir nicht im Reinen bin, Stress habe und mich eigentlich nach echter Nähe sehne, aber nur körperliche bekomme. Frustrierender im Nachhinein, als wenn man gar keinen Sex hätte. Ich versuche es dann vielleicht in Zukunft einfach, es beim Knutschen zu belassen.
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Da hast du recht. Zumindest eins von beiden sollte mit dabei sein, egal ob Hirn oder Herz. Gegen egoistischen Sex ist nicht mal was einzuwenden. Dann aber auch richtig. Deshalb habe ich mich auch in den letzten Wochen etwas zurück gehalten. Denn im Reinen war ich mit mir absolut nicht. Aber es wird jetzt langsam wieder.
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