Im Moment werde ich überall mit Themen wie Beziehungen, Liebe, Sex, Mono vs. Poly, etc. konfrontiert. Klar, ich mache mir viele Gedanken darum und vermutlich suche ich auch unterbewusst nach dem Austausch. Dennoch habe ich das Gefühl, dass typische Beziehungsmuster aktuell immer mehr von der Gesellschaft hinterfragt werden. Dabei spielt auch das Thema Liebe eine zentrale (aber auch kritische) Rolle. Gibt es diese Liebe überhaupt? Brauchen wir sie? Belügen wir uns womöglich andauernd selbst? Ich merke, wie ich das alles für mich selbst (für MEIN Leben) mehr und mehr hinterfrage (oder in Frage stelle?!). Dazu kommt, dass ich letzte Woche das erste Gespräch bei meinem zukünftigen Therapeuten hatte und das auch wieder ziemlich viele Gedanken in Bewegung gebracht hat, was meine Beziehung und Ehe mit meinem (Ex-) Mann betrifft. Einiges vermischt sich da gerade. Also werde ich mal versuchen, ein bisschen Ordnung in das Wirrwar zu bringen.
Bei unserem ersten Kennenlern-Gespräch haben Dr. S und ich versucht alle Punkte, die mich aktuell beschäftigen kurz anzuschneiden, damit er sich einen Eindruck meines „Zustandes“ machen kann. Ironischerweise sagte er augenzwinkernd, dass ich doch eigentlich einen ganz stabilen Eindruck mache und viel mehr mein (Ex-) Mann auf diesem Stuhl sitzen sollte. Vermutlich liegt es daran, dass ich in diesem ganzen Verarbeitungs-Prozess schon ganz gut voran gekommen bin und weiß, was ich will und woran ich noch arbeiten muss. Und ich hatte im Vorfeld und auch zum Termin selbst einfach auch ganz gute Laune. Dr. S sagte mir, dass es normal ist, nach so einer Geschichte immer noch starke Stimmungsschwankungen zu haben und dass ich mich nicht wundern muss, wenn es alle zwei Wochen hoch und runter geht. Als ich die Praxis später verließ, fühlte ich mich beinahe erleichtert. Zum einen über den Schritt, den ich gewagt hatte, zum anderen, weil ich schon nach 60 Minuten wusste, dieser Mann würde mir helfen zu verstehen.
Schon nach wenigen Sätzen über meine Ehe kamen wir auf das Stichwort Narzissmus zu sprechen. Dr. S zählte eine Reihe von Symptomen auf, die ich alle zu 100% bestätigen konnte. Und da begann es so richtig, mir wie Schuppen von den Augen zu fallen. Ich fand es fast schon gruselig, wozu Narzissten in der Lage sind und welche krasse Ausprägung das bei meinem (Ex-) Mann hatte. Er hat mich so oft manipuliert, um sich selbst gut zu fühlen und im bestmöglichen Licht darzustellen. Er nutzte seine Empathie – allerdings im negativen Sinne. Er versuchte, sich unserer zu vergewissern, indem er Körperlichkeiten einen besonders hohen Stellenwert zuschrieb und die Qualität unserer Beziehung an der Quantität des Sex festmachte. Es kam auch vor, dass er sich einfach nahm, was er wollte/brauchte. Er übte stets Macht über mich aus, mit Dingen, die er aus Berechnung tat. Er bestimmte bspw. darüber, mit wem ich Kontakt hatte. Ganz unauffällig ließ er meine Freunde mit einem kleinen Kommentar in schlechtem Licht da stehen. Er brauchte die vollkommene Kontrolle über jeden Schritt, den ich tat. Und ich war zu blind, um zusehen, dass er mich damit ganz bewusst in eine bestimmte Richtung lenkte.
Das Schlimme ist, es hörte auch nach der Trennung nicht auf, dass er mir immer wieder Überlegenheit demonstrieren musste. Dass dieser Brief mit der erneuten Geldforderung mich erst kurz nach Weihnachten erreichte, als ich zurück nach Berlin kam, war kein blöder Zufall – es war Berechnung. Noch jetzt will er weiterhin diese Macht über mich haben. Dabei ist sein eigener Status und sein Ansehen von höchster Bedeutung und er leidet unter einer komplett verdrehten Wahrnehmung.
Diese und zahlreiche weitere Situationen schwirren mir im Kopf herum. Zu viele, um sie alle aufzuschreiben. Aber jetzt wird alles klarer, es macht unter diesen Gesichtspunkten alles so viel mehr Sinn. Ich kann endlich anfangen zu verstehen und wirklich zu verarbeiten.
Wie stehe ich nun dazu? Wie gehe ich damit/mit ihm um? Was verändert es für mich?
Zuerst einmal beruhigt es mich ein bisschen und es macht mich freier. Vielleicht, weil ein Teil meiner Schuldgefühle damit überflüssig wird. Natürlich habe ich in der Beziehung Fehler gemacht. Aber bestimmte Dinge konnte ich gar nicht beeinflussen. Ich hätte mir noch so viel Mühe geben können, die perfekte Ehefrau zu sein, ich hätte seinen Anforderungen nie gerecht werden können.
Vielleicht macht mich dieses Wissen in gewisser Weise überlegen. Immerhin weiß ich (zumindest in Teilen), was sein Problem ist, er selbst scheint da noch im Dunkeln zu tappen. Eventuell hilft mir das bei den zukünftigen Auseinandersetzungen.
Ich versuche, dieses Wissen in erster Linie zu nutzen, um mich selbst zu stärken. Was bringt es mir, mich selbst zu bemitleiden, dass ich an einen so merkwürdigen Mann geraten bin, der mir fünf Jahre meines Lebens „gestohlen“ hat? Das ist Quatsch, so sehr ich mich noch manchmal ärgere, ich schaffe es, diesen Gedanken immer weiter von mir weg zu schieben.
Was sich allerdings entscheidend verändert ist, dass ich mir eine zentrale Frage stelle: War das Liebe? Kann das Liebe gewesen sein? Mit all dieser Falschheit, all dieser Manipulation?
Ob er mich wirklich liebte, werde ich wohl nie herausfinden. Aber was ist mit mir? Sicher war ich am Anfang ganz fürchterlich verknallt, die Zuneigung, das Neue, die sexuelle Anziehung. Nach meinem langen Single-Dasein wollte mich endlich jemand. Habe ich mich blenden lassen? Wollte ich nur endlich ein Teil des gesellschaftlichen Konstruktes namens Liebe sein?
Meine Gedanken kreisen um dieses Thema aktuell mehr denn je. Ich habe das Gefühl, meine so wundervollen und leidenschaftlichen Beziehungen flauen ab. Natürlich ist ein generelles Interesse noch vorhanden, aber der Kontakt wird weniger, die Treffen seltener. Die Beziehungen verändern sich. Man hat andere Themen als die gegenseitige Lust aufeinander. Die Gespräche sind tiefgründiger. Wären das Beziehungen im klassischen Sinne, würde man sicher sagen, sie reifen. Die rationalen Gründe für ein Zusammensein kristallisieren sich heraus. Aber diese existieren ja in meinen Beziehungen mit Männern, die bereits verheiratet sind nicht in dem Sinne. Und auch bei T ist es irgendwie anders.
Ist das das Schicksal der ewigen Singles? Befinden wir uns immer auf einer Berg- und Talfahrt zwischen euphorischer Verknalltheit und Überdruss? Und heißt das im Umkehrschluss, dass deswegen so viele monogame Beziehungen scheitern? Weil die rationalen Gründe fehlen und man die vermeintliche Liebe nicht mehr spürt?
Gibt es eine ideale Beziehung? Wie sähe die aus? Es braucht gegenseitige Wertschätzung und Loyalität und gleichzeitig die Freiheit, sich selbst entfalten zu können, wie auch immer man das möchte, um die eigene Individualität nicht zu verlieren. Klingt fast schon utopisch und ich fühle mich eigentlich sogar noch etwas zu unreif, um diese Frage für mich wirklich zufriedenstellend beantworten zu können.
Langeweile und Routine sind für jede wie auch immer geartete Beziehung Gift – auch für Freundschaften.
Ich glaube, ich sollte meine aktuelle „Flaute“ – wenn man das überhaupt so nennen kann – auch nicht überanalysieren. Ich stehe im Moment sehr auf diese Selbstbestimmtheit. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich gerade zwar meine Lust und Sexualität nach wie vor spüre, mir aber manchmal einfach nicht danach ist, mit einem Mann zu schlafen. Und da körperlicher Kontakt ja auch ein Gefühl von emotionaler Bindung hervorruft, spüre ich dies aktuell nur einfach nicht so stark. Und auch ich sollte die Qualität meiner Beziehungen nicht an der Quantität des Sex messen.
Ich denke, Liebe ist eine bewusste Entscheidung und sie ist sehr viel rationaler, als die meisten vielleicht denken.
Ich für meinen Teil werde abwarten, weiter beobachten und mich wieder mehr im unendlichen Dating-Dschungel bewegen, um herauszufinden, was für mich das beste Konstrukt ist. „Alte“ Freunde werden dabei natürlich nicht auf der Strecke bleiben.
Ich freue mich, wenn ihr mir hier ein paar eurer Gedanken zu diesem Thema da lasst. 🙂
Liebe ist aufjedenfall eine rationale Entscheidung. Es gibt so viele Höhen und Tiefen in einer Beziehung, so viele Kompromisse die eingegangen werden müssen. Denn egal wie sehr man sich liebt – geht es trotzdem um zwei verschiedene Individuen die nicht immer einer Meinung sein müssen. Aber genau das, kann auch der Reiz daran sein.
Ich gebe dir auch Recht, das Momentan scheinbar viel über verschiedene Beziehungskonstellationen gesprochen wird oder auch über Vorlieben, aber vielleicht achte ich jetzt auch einfach mehr darauf und bin neugieriger. Ich finde das Thema aber interessant, denn dadurch wird mir bewusster was ich möchte und was ich nicht möchte.
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Ich bewundere Menschen, die es schaffen eine so respektvolle Beziehung über Jahre aufrecht zu erhalten – meine Eltern bspw. wobei die auch oft kämpfen mussten, um jetzt da zu sein, wo sie sind.
Ich finde es gut, dass ich jetzt gezwungen bin, über all das nachzudenken, auch wenn ich es manchmal anstrengend finde, weil es einfach verdammt viele Optionen gibt.
Hab vielen Dank für deine Gedanken!
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