Als mein Mann sich im Frühjahr von mir trennte, wollte ich nur eins: so schnell wie möglich, so weit wie möglich weg. Obwohl es mir so schmerzte, mein Herz brach und ich ihn unglaublich vermisste, konnte ich seine Nähe nicht mehr ertragen. Hauptsächlich deswegen, weil er mir mehr als deutlich machte, dass auch er meine Nähe nicht wollte, vor allem nicht die körperliche. Erklärend sei gesagt, dass wir noch ca. zwei Wochen in einer Art Schwebezustand verbrachten, in denen wir weder wirklich zusammen, noch endgültig getrennt waren. Ich schlief auf der Couch, wir sahen uns zwar, stritten aber fast ausschließlich. Den Rest der Zeit war ich unfassbar unglücklich und verzweifelt darüber, ihn nicht mal berühren zu dürfen.
Kurzum: ich musste definitiv da raus. Und ich hatte verdammtes Glück, weil ich eine liebe Freundin hatte, in deren Wohnung das Gästezimmer frei wurde und die mich ohne zu zögern bei sich aufnahm. Zunächst packte ich meine Sachen für zwei Wochen. Doch schon nach einer Woche wurde klar: ich würde solange das Gästezimmer bewohnen, bis ich eine eigene neue Wohnung hatte, was im Endeffekt zweieinhalb Monate waren. Ich kann selbst jetzt nach mehreren Monaten nicht mal in Worte fassen, wie dankbar ich über diese Möglichkeit war. Es wäre unerträglich gewesen, weiterhin jeden Tag in die alte, große, wundervolle, erdrückende Wohnung zurückzukehren und ihn dabei auch noch ständig zu sehen.
Trotz all der Freude und Dankbarkeit wusste ich aber gleichzeitig auch, wie schwierig das alles werden könnte. So eine unfreiwillige WG kann eine Freundschaft schon auf eine harte Probe stellen. Wir beide haben vor (mittlerweile) zehn Jahren bereits in Lettland für zehn Monate zusammen gewohnt. Das war damals schon nicht ganz einfach, weil wir uns zwar im großen und ganzen gut verstehen und in vielen Punkten auch ähnlich sind, aber beim Thema Wohnen, Alltag etc. einfach unterschiedliche Gewohnheiten haben. Dennoch verband uns die gemeinsame Auslandserfahrung. Und seit ich in Berlin lebe, haben wir uns regelmäßig zum Essen oder Weintrinken getroffen.
Aber ja, diese WG auf Zeit war für uns beide nicht einfach. Ich hatte mir wohl insgeheim erhofft, dass wir öfter mal einen Abend zusammen verbringen, weil ich einfach viel zu trauern hatte und auch wirklich viel reden musste/wollte in der Zeit. Doch auch meine Freundin war gerade frisch getrennt und wollte im Gegensatz zu mir darüber gar nicht sprechen. Natürlich akzeptierte ich das und versuchte, wenn ich merkte, sie braucht ihre Ruhe, mich so unauffällig wie möglich zu verhalten. Was dazu führte, dass ich (wenn ich nicht grad auf Dates unterwegs war) die Abende weintrinkend auf meiner Couch im Gästezimmer verbrachte. Natürlich hat jeder so seine eigenen Vorstellungen davon, wie es in den eigenen vier Wänden zu laufen hat, was vollkommen legitim ist, aber ein paar Mal dazu führte, dass ich ordentlich ins Fettnäpfchen trat. Eigentlich banal, aber auch diese Situationen erschwerten uns das Zusammenleben, vor allem, weil ich das Gefühl hatte, es wurde immer angespannter. Ich fühlte mich total fehl am Platz und hatte eine so unglaublich große Sehnsucht danach, endlich in meine eigenen vier Wände zu kommen. Denn auch ich bin lieber alleiniger Herr über mein Zuhause.
Und obwohl nichts vorgefallen war, außer dass wir eben unfreiwillig aufeinander hockten zu einer Zeit, die jede von uns lieber allein und mit viel Ruhe verbracht hätte, atmeten wir beide erleichtert auf, als mein Umzug in die neue Wohnung endlich anstand. Ich war vor allem deswegen erleichtert, weil ich endlich dieses furchtbare schlechte Gewissen, ihr gefühlt ständig auf die Nerven zu gehen (übertrieben gesagt), loswurde. Außerdem plagte ich mich damit, dass ich dachte, ich werde das nie wieder gut machen können. Wobei ich natürlich weiß, dass ich für jeden Freund das Gleiche getan hätte. Ich war sogar so blank zu dem Zeitpunkt, dass ich meinen Beitrag zu den Nebenkosten erst Monate später begleichen konnte, was mir furchtbar unangenehm war.
Meine Freundin packte sogar noch beim Umzug tatkräftig mit an und als ich mich beim Abschied noch einmal bei ihr bedankte, kamen mir vor Rührung die Tränen. Wir versprachen uns natürlich in Kontakt zu bleiben und weiterhin füreinander da zu sein. Allerdings haben wir uns an diesem Tag zum letzten Mal gesehen. Zu Anfang gab es noch sporadische Nachrichten, die immer weniger wurden. Auf meine letzten beiden, in denen ich ein Wiedersehen vorschlug, hat sie nicht reagiert. Hat die spontane WG-Zeit uns etwa so belastet, dass wir uns nicht mehr in die Augen sehen können? Ist irgendetwas passiert, was mir nicht klar ist? Sollte dem so sein, tut es mir sehr leid. Ich hoffe nach wie vor inständig, dass was auch immer zwischen uns steht, mit der Zeit an Gewicht verliert. Ein solches Ende der Freundschaft wäre sehr traurig. Und was auch immer es ist, ich hoffe wir können darüber reden. Und wann wäre ein besserer Zeitpunkt, als jetzt zu Weihnachten, um den Kontakt noch einmal zu suchen?!
Einen Versuch ist es definitiv wert.
Oh eine sehr rührende Geschichte. So ein Zusammenleben kann Freundschaften definitiv auf die Probe stellen, denke ich. Ich kann mir aber auch gut vorstellen, dass ihr durch das Zusammenleben etwas gewonnen habt. Vielleicht braucht es jetzt erst einmal ein wenig Abstand zwischen euch, um so viel Nähe zu kompensieren. Ich würde auf jeden Fall versuchen, nochmal Kontakt mit ihr aufzunehmen. Gerade jetzt zu Weihnachten eine gute Idee, wie du schon gesagt hast! 😊
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