Meine Trauer, deine Trauer

Ich muss trauern. Trauer hilft einem, mit Schmerzen umzugehen, sie zu verarbeiten und irgendwann wieder klar zu kommen. Zumindest ist es das, was Psychologen einem empfehlen. Es ist auch das, was Freunde einem raten, wenn man sich in einer schmerzlichen Situation befindet. Das ist eben alles immer so leicht gesagt. Ich bin nicht gut im Trauern. Vor allem deswegen nicht, weil ich das Gefühl habe, ich habe dieses Jahr schon genug getrauert….(gefühlt) genug für den ganzen Rest meines Lebens. Ich habe keine Lust mehr, traurig und verzweifelt zu sein. Alles, was ich gut hinbekomme, ist den Schmerz zu betäuben, mich abzulenken und am Ende völlig zu eskalieren. Und warum? Weil ich Angst habe, den Schmerz zuzulassen. Weil ich nicht weiß, was er mit mir macht. Weil es mich wieder aus der Bahn werfen könnte und ich dann nicht mehr so funktioniere, wie ich soll. Also trage ich das alles tage-, wochenlang mit mir rum, breche immer mal wieder zusammen, mache aber weiter, bis ich irgendwann gar nicht mehr kann.

Ein erster Schritt zum Thema Schmerzbewältigung wäre ja, erst einmal herauszufinden, was mich eigentlich gerade so traurig macht? Noch vor zwei Wochen, unter der Sonne Barcelonas, war ich so zufrieden mit mir und meinem Leben. Und jetzt ist es, als wäre ein „Trostpflaster“ abgezogen worden, ohne das ich mich hilflos und allein fühle. Aber ich bin weder das eine, noch das andere. Ich habe lediglich etwas versucht, wozu ich noch nicht bereit bin. Und ich spüre eine große Enttäuschung darüber, dass ich gescheitert bin. Ich versuche zu funktionieren, auch zwischenmenschlich. Ich denke, ich habe da einen sehr sehr großen Anspruch an mich selbst. Es funktioniert eben einfach noch nicht alles wieder reibungslos, hier und da sind noch Risse und lockere Schrauben. Lockere Schrauben kann man festziehen. Aber Risse müssen heilen, es reicht eben nicht aus, ein Trostpflaster drauf zu kleben.

Meine eigenen Wunden sind die eine Sache. Manchmal wünsche ich mir, ich wäre kalt und abgebrüht und das Schicksal derer, die zurückbleiben würden mich nicht interessieren…Kollateralschaden eben… Aber so ist es nun mal nicht. Das ist einerseits eine schöne und menschliche Eigenschaft. Andererseits eine weitere Sache, die mir Schmerzen bereitet. Ich habe Schuldgefühle und die fühlen sich beinahe noch schmerzhafter an, als der eigentliche Schmerz. Natürlich habe ich ihn nicht vorsätzlich verletzt. Dennoch fehlte mir das Fingerspitzengefühl und der Mut zu erkennen, dass ich mit aller Kraft etwas haben wollte, was noch nicht geht. Weil es ein Rausch war, weil dieses Gefühl, das wir miteinander hatten so unglaublich toll war. Weil alle sagten, wie gut wir zusammen passen, weil unser Kennenlernen und die daraus entstandene Verbindung so besonders war…
Doch es gab auch Leute, die uns gewarnt haben, die ihn vor mir gewarnt haben. Und ich habe mir die ganze Zeit gewünscht, sie würden Unrecht behalten.

Und jetzt schreibe ich ihm jeden Tag, schütte ihm mein Herz aus, in der Hoffnung, es gäbe irgendwas zu sagen, was es wieder gut macht. Und warum erträgt er das? Warum sagt er nicht einfach: „Halts Maul und verpiss dich!“? Weil es MIR damit besser gehen könnte! Paradox, oder??
Und auch wenn es mir nicht hilft (nein, tut es wirklich nicht), dann dachte ich bei dieser Aussage nur, was er doch für ein guter Mensch ist (ja, wirklich), der echt viel für mich getan hat (und ja damit irgendwie immer noch tut). Und dass ich das viel zu wenig gewürdigt habe. Und das tut mir leid.

Dieser Kontakt hilft mir nicht nur deswegen nicht, weil ich eben nun mal nicht ungeschehen machen kann, was passiert ist. Er hilft mir ebenfalls nicht, weil ich von ihm keinerlei Emotionen bekomme. (Ich weiß, auch mit Emotionen würde es nicht helfen, sowas hilft nie und es ist das, wovon einem nach einer Trennung in der Regel abgeraten wird…dennoch lasse ich mich immer wieder dazu hinreißen…Dramaqueen und so…)
Er antwortet zwar, aber er ist unglaublich kühl dabei. „Ich lebe…also ist alles okay…Und meine Gefühle spielen in meinem Leben derzeit keine Rolle“, ist das für mich emotionalste Statement der Kommunikation, welches ich bekommen habe. Es ist traurig. Ich versuche seit Tagen zu weinen, aber ich schaffe es nicht wirkich. Heute morgen wurde mir klar, welchen Grund es dafür geben könnte. Vielleicht ist es gar nicht meine Trauer, die ich spüre, sondern seine. Die, die er eigentlich spüren sollte. Und das äußert sich in diesem schlimmen, unerträglichen Schuldgefühlen. Ich versuche für uns beide zu trauern, aufzuarbeiten, was passiert ist. Aber das ist eine verdammt große Aufgabe, ein unlösbare. Und die lässt mich verzweifeln und nicht zur Ruhe kommen. Ich versuche Entschuldigungen zu finden, für etwas, woran keiner Schuld trägt, zumindest nicht direkt (Man könnte jetzt meinem Ex die Schuld geben, aber damit man macht man es sich dann auch zu einfach) Ich versuche, mich zum Sündenbock zu machen, weil es mir leid tut, dass meine momentane Bindungsunfähigkeit (oder wie auch immer man es nennen möchte), dazu führt, dass nicht nur ich verletzt zurück bleibe. Und ich vermisse ihn, nicht nur als den Partner, der er für mich war, sondern auch als Freund. Und ich bekomme mehr und mehr das Gefühl, dass wir nicht einmal mehr das werden sein können…aber wer weiß…

Ich muss dringend damit aufhören, mich verantwortlich zu fühlen. Ich kann nicht helfen, ich kann ihm auch den Schmerz nicht abnehmen. Ich kann nur für mich selbst da sein, zu mir selbst lieb sein und versuchen, meine innere Ruhe wieder herzustellen. Keine leichte Aufgabe, der ich mich aber sehr intensiv widmen sollte.

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