Nun hatte ich bereits ein paar Monate Zeit, mich an mein neues ICH zu gwöhnen. Wobei „neu“ trifft es gar nicht so genau. Im Grunde war ich ja schon immer so wie ich bin, nur habe ich es fast fünf Jahre erfolgreich geschafft, dieses ICH in den Hintergrund zu stellen und eine Frau zu sein, die ich wirklich nicht war.
Also…ich habe mich mittlerweile recht gut daran gewöhnt, wieder ICH zu sein. Und trotzdem passiert es immer wieder, dass ich überrascht bin von mir selbst … oder ist es das Leben, was mich überrascht?! Wie dem auch sei…
Es ist (fast) egal wohin ich gehe, ich verlasse den Ort des Geschehens meist mit der ein oder anderen neuen Bekanntschaft. Wobei Bekanntschaft schon beinahe untertrieben ist. Offensichtlich schaffe ich es, mit meiner Offenheit die Menschen in meinen Bann zu ziehen. Nach solchen Begegnungen habe ich jedes Mal das Gefühl, den Anderen in meine Seele geschaut haben zu lassen. Innerhalb kurzer Zeit entsteht etwas, was ich tatsächlich Freundschaft nennen möchte. Und interessanter Weise ist es, als würde sicher innerhalb der ersten Sekunden einer Begegnung bereits entscheiden, ob die Chemie passt. Ich war am Wochenende auf einem Picknick. Ein neuer Gast kam an und setzte sich neben mich. Was ich jetzt mal reinen Zufall nennen möchte, denn es war eben einfach Platz an der Stelle. Wir fingen also an uns zu unterhalten und ja die Chemie stimmte. Später fragte der Gastgeber, ob wir uns bewusst zusammen gesetzt haben. Ich fand die Frage zunächst witzig, doch jetzt im Nachhinein betrachtet, denke ich, es war irgendwie vorbestimmt. Ja ich glaube an solchen Kram…Schicksal oder was auch immer.
Das mag jetzt vielleicht etwas eingebildet klingen, aber es ist wirklich so, dass ich etwas an mir zu haben scheine, was mein Gegenüber in meinen Bann zu ziehen scheint. Aus Begegnungen werden Beziehungen (in welcher Art und Weise auch immer). Nach dem Abschied bleibt immer der Wunsch eines Wiedersehens.
Das mag für einige jetzt sicher wenig spektakulär sein. Ich bin jedoch jedes Mal wieder total geflasht. Dieser Flash zeigt mir, wie sehr in mich in den letzten Jahren eingeigelt habe. Ich habe mich nicht mal getraut, mich auf ein tieferes Gespräch einzulassen. Weil es da einen extrem besitzergreifenden Menschen in meinem Leben gab, der mir das sozusagen verboten hat. Es ist im Nachhinein frustrierend. Und es bringt mich erneut zu dem Schluss, dass ich nicht die Ansicht teilen kann, dass diese fünf Jahre eine Bereicherung waren. Nein! Diese fünf Jahre waren vergebene Liebesmüh. Diese fünf Jahre waren einfach verschwendete Zeit. Da gibt es rein gar nichts schön zu reden.
Und vor dem Hintergrund dieses Gedankens, ist es jetzt sicherlich nachvollziehbar, dass ich jedes Mal, wenn ich wieder eine dieser unglaublichen Begegnungen habe, da stehe und aus dem Staunen nicht mehr raus komme.
Vielleicht sollte ich aber auch dankbar sein. Denn ohne diese furchtbare Ehe hätte ich ja gar keine Geschichte zu erzählen. Und da ich ja so super offen bin, sehen meine Begegnungen auch meist so aus, dass ich sobald ich Vertrauen gefasst habe, meine Geschichte auch erzähle. Wenn ich selbst darüber nachdenke, erwische ich mich dabei, wie ich es manchmal für mich relativiere. Doch die Reaktionen zeigen mir, dass es dazu gar keinen Grund gibt. Denn die häufigste Reaktion des Gegenübers ist das starke Bedürfnis, mich in den Arm nehmen zu wollen und das ist unglaublich schön und eine tolle ehrliche Geste.
Natürlich sitze ich nicht jedes Mal mit einer neuen Bekanntschaft da und heule darüber, wie schwer doch mein Leben gewesen ist. Es gibt noch sehr viel mehr. Und so bin ich dankbar, für all die intensiven Gespräche, die ich seither führen durfte, die mir neue Blickwinkel gezeigt und spannende Geschichten erzählt haben. Endlich bin ich wieder frei, das zu tun. Ich bin wieder ich selbst und erfreue mich jeden Tag daran.
Als ich anfing diesen Beitrag zu schreiben, war ich ehrlich gesagt etwas planlos. Ich wusste gar nicht so wirklich, was ich hiermit überhaupt sagen will, aber ich wusste, da will etwas raus. Das Schreiben hier ist für mich besser als jede Therapie. Ich fange einfach an, in die Tasten zu hauen und irgendwas kommt am Ende immer dabei raus. Ich fühle mich hinterher besser, befreiter und manchmal sogar ein bisschen erleuchtet. Und auch jetzt gerade kam mir eine kleine Erkenntnis. In den letzten Wochen war ich wirklich oft in so einer fiesen depressiven Stimmung, ein kleines Sommerloch.
Ich bin meist mit schlechter Laune aufgestanden und abends sorgenvoll, oder tränenreich ins Bett gegangen.
Jetzt, da ich mir gerade mal wieder die schönen Seiten meines „neuen“ Lebens vor Augen gehalten habe, macht sich in mir ein ganz anderes Gefühl breit. Nämlich Glück und Dankbarkeit. Ich bin so dankbar für jeden Tag, für meine Freiheit und mein ICH, was ich wieder gefunden habe.
Sehr schön zu lesen und ich freue mich sehr für dich! Es ist schön, das eigene Ich wiederzufinden, nachdem man es lange für verloren hielt. Ich finde und verstehe mich selbst auch oft erst im Schreiben wirklich 🙂
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Mir geht es grad genauso, freue mich dich nach der Sommerpause wiederzusehen. Ganz liebe Grüße, Annett.
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